Wie aktiviert man vor Ort Menschen für den Klimaschutz? Dieser Frage sind wir auf den Berliner Energietagen nachgegangen. Unser “Open Table” der Energieblogger fühlt sich im fünften Jahr wie eine liebgewonnene Tradition an. Es hat so viel Freude bereitet, weshalb wir uns beim Feierabend-Bier gefragt haben, warum wir so etwas nicht öfter machen.

Warum die Freude? Es ist der Ansatz. Statt die seit Jahrhunderten stattfindende Unterrichtung mit vorne stehenden Experten und sitzend zuhörenden Lernenden steckt die Expertise in allen Anwesenden. Uns vorwiegend am Computer Arbeitenden tun Gespräche von Angesicht zu Angesicht immer gut. Um ‘im richtigen Leben’ bloggen zu können, brauchen wir diesen direkten Austausch sehr. Nur so können wir ein treffendes Gefühl und Einschätzungsvermögen für die Realitäten innerhalb der Energiewende- und Energiebremse-Branche entwickeln.

“Open Table 2018” mit drei Thesen zur Stimulation unserer Gäste

Zurück zum Thema und nach Berlin ins Ludwig Erhard Haus: Gemeinsam haben Andreas Kühl, Katja Reisswig und ich uns jeweils eine These überlegt und darüber berichtet:

Meine These für den Abend lautete:

“Aktivieren von passiv auf hoch aktiv ist unmöglich. Sondern aus dem, was ist, kann ein Quäntchen mehr herausgekitzelt werden.”

Von 0 auf 100% für den Klimaschutz aktivieren?
Das sagen unsere Gäste:

Reihum haben wir die drei Thesen an drei Tischen mit drei Gruppen diskutiert. Die Wichtigkeit einzelner Ergebnisse wurde im Abschluss durch die Gäste bewertet. Die wichtigsten Einsichten erfahren Sie, wenn Sie ab hier weiterlesen:

Individuelle Vorteile herausragend wichtig

Die wichtigste Einsicht: Man kann nur Menschen aktivieren, die für sich einen Vorteil in dem jeweiligen konkreten Klimaschutz-Schritt sehen.

Soziales Umfeld – wir alle sind Multiplikatoren im eigenen Umfeld

Die zweitwichtigste Chance sehen die Gäste im sozialen Umfeld: Dieses ist sehr wichtig für die Aktivierung und Motivation von noch-un-Informierten und noch-un-Interessierten.

Wieso das denn? Unsere Gäste sehen mehrere Mechanismen, die zum Tragen kommen, wenn Menschen selbst im sozialen Umfeld vorbildlich agieren. Dies würde einen positiven sozialen Druck aufbauen, der zum Nachmachen stimuliert. Grundsätzlich gilt: “Tu Gutes und rede darüber!”. Dabei muss man jedoch höllisch aufpassen, dass man nicht durch lästige Bekehrungsversuche zur Verschärfung statt zur Entschärfung des Problem-Komplexes beiträgt.

Kommunikation reicht nicht

Aus Sicht der Gäste ist die drittwichtigste Einsicht, dass der Einsatz für freiwilligen Klimaschutz über Kommunikation genauso wichtig ist wie ein Engagement für die zielführenden Rahmenbedingungen mit Klimaschutz-Wirkung.

In der Summe ist der freie Wille bislang zu schwach, um die gewaltigen Herausforderungen des Klimaschutzes zu meistern. Im Studium lernte ich, dass Wirtschaft immer dann freiwillige Selbstverpflichtungen eingeht, wenn sie eine strengere Regulierung vermeiden will. Vorteil aller freiwilligen Schritte ist, dass dies die robusteste aller Lösungen ist. Vorteil kluger Regulierungen ist, dass auch “noch-un-Interessierte” automatisch das Richtige tun. Beispiel: Öffentliche Verkehrsmittel für alle gratis anbieten.

Der Wirkung vieler Normen steht eine gewaltige Kreativität beim Umgehen von Regulierungen entgegen. Noch mehr aber steht dem der Einfluss des allgegenwärtigen Lobbyismus entgegen und die Tatsache, dass strenge Regulierungen nicht im Wiederwahl- und Spenden-Interesse unserer Politiker steht. Beispiel: Geschwindigkeitsbegrenzung auf Autobahnen.

Persönlich mehrmals beraten

Als positiver Erfahrungswert wurde von einer Energieberatung berichtet. Dadurch, dass diese zeitlich nacheinander drei Gespräche vorsieht, steigere man langfristig die Wahrscheinlichkeit einer Umsetzung von energetischen Modernisierungen. Die Erfolgsquote gilt als hoch.

Information wurde von den Gästen als Grundlage zum Mit- und Umdenken gesehen. Hier muss ich anmerken, dass es jedoch bei weitem nicht so ist, dass Menschen, die ausreichend informiert sind, aufgrund dieser Information ihr Verhalten zugunsten des Klimaschutzes ändern. Diese verbreitete Annahme ist eher ein Irrglaube.

Weitere Tipps, die wir mitgenommen haben:

  • Für Agenda-Gruppen und ähnliche ist es gut, an andere Orte zu gehen und gezielt mit Menschen zu sprechen, die andere Auffassungen und Wertvorstellungen haben.
  • Je jünger, desto einfacher lassen sich Menschen vor Ort für den Klimaschutz aktivieren.
  • Eine weitere These unserer Gäste war, dass eine Aktivierung von 0 auf 100 eher mit großem Aufwand funktioniere. Ja, mit großem Aufwand steigt die Wahrscheinlichkeit. Aufwand kann bedeuten, dass man tiefgehend individuell miteinander kommuniziert.

Mein Fazit

Ich bleibe bei meiner Ausgangsthese: Auch mit üppig ausgestattetem Budget lässt sich meiner Meinung nach nur ein weiteres Quäntchen herauskitzeln. Quäntchen für Quäntchen mag dies auch größer werden und wachsen. Das Entscheidende aber passiert zwischen den Ohren: Denn ein für den Klimaschutz aktiviertes Verhalten kommt von der individuellen Haltung und dem emotionalen Gefühl einer Berührtheit –  so lernte ich es im Interview mit Gerald Hüther.

Mit Medien lässt sich die Änderung einer Haltung nicht stimulieren. Offenheit für ein Thema lässt sich nicht durch Medien erzeugen. Vielleicht können Menschen über Filme berührt werden, wenn sie diese schauen wollen. Und selbst bei dafür offenen Menschen sind intensive Dialoge und eine emotionale Berührtheit nötig.

Genau deshalb finde ich den Hinweis unserer Gäste auf die eigene Vorbildwirkung im persönlichen Umfeld so wichtig. Wer beruflich versucht, Menschen zu mehr Klimaschutz zu bewegen, übersieht dies leicht – dieses Unterfangen erscheint vielleicht zu klein. Jedoch hilft es auch über das eigene Umfeld hinaus, indem die eigene Glaubwürdigkeit steigt.

Mit Medien können wir Menschen den einen Schritt weiterbringen, der bereits lose in ihnen gereift ist. Positiv ausgedrückt, können wir mit Medien die Reifung und Konkretisierung eigener Bemühungen bestärken.

Mehr zum Thema

Empfehlenswerte Broschüre: „Der Weg zum Klimabürger“ des Instituts für ökologische Wirtschaftsforschung IÖW.

Handbuch für Psychologie und Umweltschutz, empfohlen von www.lakunabi.de

 

Hier finden Sie die Berichte von den früheren Open Tables.