Eigentlich mag keiner Lobbys. Dennoch agieren im Land des Wirtschaftswunders viele dieser höflichen, kultivierten und ungeliebten Organisationen erfolgreich. Im Energiesektor gibt die Erfolgsstory des großen BDEW. Über 150 Mitarbeiter des Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft üben Einfluss auf Prozesse die eigentlich demokratisch sein sollten. Die Einflüsse dieses Beispielverbandes dienen den speziellen Interessen großer und mittlerer Energieversorgungsunternehmen. Hilft das, um schnell die Wende hin zu 100% erneuerbaren Energien zu meistern? Hilft das, um den überfälligen Kohleausstieg zu organieren?
Der BDEW will eine langsame Energiewende in der Hand seiner Mitglieder
Leider ist das oligopolistische Interesse weder eine schnelle Energiewende noch die Abgabe von Marktanteilen an viele kleine Unternehmen. Es ist simpel: Wer Geld in ein AKW oder ein Kohlekraftwerk gesteckt hat, der will damit so lang wie möglich Geld verdienen. Das ist betriebswirtschaftlich sinnvoll und objektiv nachvollziehbar. Dieser einfache Grund ist der Sprengstoff der den zu oft unterschwelligen Streit um die Energiewende nährt.
Meinem Eindruck nach hat die Energiepolitik der letzten Jahre diese Interessen der alten Energiewirtschaft zunehmend berücksichtigt. Ein mutiger Kurswechsel fehlt. Die Konsequenz das richtige zu tun fehlt. Es soll natürlich vertuscht werden. Dabei helfen ärgerlicher Weise auch feine Leute die eigentlich die Energiewende wollen. Beispiel dafür ist Kretschmann, als er einen derben Rückschritt 2014 als „vertretbarer Kompromiss“ verkauft hatte. Es hilft keine Wattebausch-Rhetorik, wenn diese einen nicht existierenden Konsens und den „wir-sind-alle-für-die-Energiewende-Anschein“ vortäuschen. Nein, es besteht ein massiver struktureller Konflikt bei dem sich Politik zum bewahrenden Komplizen eines Energiesystems des vorherigen Jahrhunderts gemacht hat. Das Neue gerät wie eine zarte Pflanze unter die Räder der noch zu mächtigen.
Politik liefert für große Unternehmen und Klimaerwärmung
Finden Sie das ich schwarz male?
Nun ja: Bald sollen nur noch große Unternehmen größere erneuerbare Energieprojekte machen können. Ausgesiebt werden KMU, Bürger und kleinere Stadtwerke. Der Zubau wird begrenzt und kontrolliert. Statt die Ausbaudynamik zu beflügeln wird das Ausbaumomentum durch unsägliche Regelungen aufgebrochen.
Welch verfehlte Industriepolitik!
Statt viele Arbeitsplätze zu schaffen schützt man wenige Arbeitsplätze. Statt mit Solarprodukten Geld zu verdienen hat man seine Industrie zerstört und den Marktanschub vorher für Chinesen und Amerikaner finanziert. Statt mit Windprodukten Geld zu verdienen soll nun auch dieser Industrie die Basis entzogen werden.
Verstehen Sie mich bitte richtig. Wenn wir 100 % erneuerbaren Energien in den Händen vieler Unternehmen haben, dann stört es mich nicht wenn E.ON, Vattenfall, EnBW und RWE dabei sind. Leider ist die Energiepolitik ist so bewahrend, dass sich das alte Mangels sauberer Wachstumsperspektive nicht wandeln kann. Es ist wie eine Larve in einer engen Büchse, die nicht schlüpfen kann, aber auch nicht zurück in den Cocoon kann. Stillstand. Wertvolle vergeudete Zeit in der das Klima aufheizt. Das macht mich wütend!
Keine Partei arbeitet straff an der schnellen Energiewende
Sollen wir jetzt zweifeln – wir die schnell viel erneuerbare Energien in der Hand vieler Unternehmen sehen wollen? Auf keinen Fall. Denn es geht darum das richtige zu tun. Dabei darf nie der Mut verloren gehen. Wer aber vertritt unsere Interessen?
Im Parlament kümmern sich darum zu wenige. Die Grünen schwanken zwischen einer zahmen Koalitionsfähigkeit und der Machtlosigkeit aufgrund geringer Wählerzahlen und verschonen den gewieften Abrissmanager Baake (welch genialer Schachzug von Gabriel!). Auch die wenigen Energiewende-Befürworter in der „Umfragetief-SPD“ sind leider noch machtlos. Auch die Energiewende-Befürworter der CDU/CSU sind in der Sache machtlos. Und die AfD sehnt sich offen nach der guten alten Zeit mit staubigen Kohlekraftwerken. Zur FDP und Linke lässt sich wenig sagen.
Diese Zeilen mögen resigniert klingen. Der Wähler hat derzeit keine Wahl-Option die einen durchgängig konsequenten Einsatz für die Energiewende versprechen würde. Das Halbherzige reicht nicht. Dennoch solle der Einsatz aller Einzelkämpfer und Einzelaktionen wertgeschätz und gestärkt werden. Vielleicht werden diese Einzelnen aus allen Reihen das Comeback der schnellen Energiewende künftig antreiben!
Die Lobby erneuerbarer Energien ist ein Flickenteppich
Es gibt auch ungeliebte Lobbyisten die unterschiedliche Interessen für erneuerbare Energien vertreten. Am professionellsten erscheint mir da der Bundesverband Windenergie (BWE). Insgesamt sind es zig Verbände wobei die Grenzen hin zu Bürgerinitiativen verschwimmen. Auch die vielen NGO´s mit dem Ziel des Klimaschutzes und Umweltschutzes sind mit in diesem Spiel einer teilweise undemokratischen Einflussnahme für das Gute. Das politische Ergebnis zeigt, dass der Flickenteppich unzähliger erneuerbarer Lobbys machtlos agiert. Eines haben die Lobbys erneuerbarer Energien gemein: Sie sind mehr oder weniger schwach aufgestellt. Verstehen Sie mich bitte richtig. Ich bin immer froh wenn sich Menschen für erneuerbare Energien einsetzen.
Dennoch fehlt es hinten und vorne:
- Weniger Geld: Das wurde in den Boomjahren versäumt.
- Weniger Netzwerk
- Dezentral, statt eine mächtige Stimme die Wählerstimmen oder Parteispenden kosten kann
- Weniger Erfahrung
- Weniger alte Strukturen
- Weniger Abhängigkeiten erschaffen
- Kaum Verflechtung in Gewerkschaften
Was kann heute für eine schnelle Energiewende tun?
Lösung 1: Politik und Lobbyismus transparent machen
Allen Lobbyismus vollständig transparent zu machen ist Arbeit an der Demokratie. Medien und Bürgr müssen wissen können was läuft. Auch unsaubere Medienpraxis in der Kooperation beispielsweise mit dem BDEW müssen an den Pranger gestellt werden. Die Probleme und Lösungen für den Lobbyismus habe ich in einem früheren Artikel beschrieben.
- UN-Konvention gegen Bestechung ratifizieren
- Parteienfinanzierung deckeln
- Nebeneinkünfte sichtbar machen
- Kein direkter Wechsel zwischen Politik und Lobby
- Lobbyisten-Register
Lösung 2: Als Wähler Interessen der Energiebürger einfordern
Wähler und Abgeordnete sollten miteinander sprechen. Irgendwo muss ja Bodenhaftung im Politikbetrieb entstehen. Es ist jedoch schwer, überhaupt Antworten von der Politik zu erhalten. Bei unserer Energieblogger-Aktion #Fragwürdig hat beispielsweise kein Abgeordneter auf meine Twitterfrage geantwortet. Beide Richtungen müssten das Gespräch suchen. Überlegen Sie sich das mal. Die Möglichkeit signifikant an der Energiewende zu partizipieren wird verbaut und Millionen von Bürgern, kleinen und mittleren Unternehmen beschweren sich nicht? Es gibt immer noch Eigenverantwortung! Eine nette Idee dazu ist die Aktion „Hol Dir den Energiepolitiker“ des Bündnis Bürgerenergie.
Lösung 3: Eine starke Lobby und eine Gewerkschaft für erneuerbare Energien
Warum gibt es keine starke Lobby wie den BDEW für erneuerbare Energien? Warum gibt es keine starke Gewerkschaft wie die IGBCE für erneuerbare Energien? Um in Deutschland richtig Druck machen zu können, braucht es eine Stimme die laut in Medien, Politik und über Demonstrationen erklingen kann. Auch der Kaiser hätte vielen kleinen dezentral organisierten Stimmen ignoriert. Es muss klar sein: Wenn ihr Blödsinn erzählt, dann habt ihr bei der nächsten Wahl ein Problem!
Hans-Josef Fell hatte in 2014 bereits gefordert, dass man die Kräfte bündeln müsse. Die Aufgabe kann aufgrund des Interessenskonfliktes nicht durch den BDEW übernommen werden. Es braucht echte Gegenspieler und keine Organisation für unwirksame Minimalkompromisse. Eigentlich soll der kleine Bundesverband Erneuerbare Energien diese Aufgabe übernehmen. Alle die für die schnelle Energiewende sind und auch die Branche müssen sich besser organisieren. Das wurde bislang vernachlässigt.
„Wir können nicht mehr mit rund 30 Fachverbänden für 25 Prozent Strommarktanteil die Politik belasten. Die Politik will modernere und weniger Verbände, die voll koordiniert sind. Das ist der noch stärkste Organisationsvorteil des BDEW. Dazu müssen wir die erneuerbaren Energien im BEE bündeln. Ansonsten spalten sich die erneuerbaren Energien in den BDEW, den VKU und die 29 Fachverbände der erneuerbaren Energien auf. Damit würden wir dramatisch an Einfluss verlieren“
Hermann Albers (BWE).
Wie Sie sehen bin ich bei weitem nicht der Erste, der in diese Richtung denkt. Das ist gut so. Ich wünsche mir, dass der Ruf nach einer starken Lobby für erneuerbare Energien intensiviert wird. Ich sehe folgende Arbeitsschritte und würde mich sehr über Ihre Einschätzung interessieren.
To-Do-List für die Energiewendelobby
- Organisationen sollten sich untereinander vernetzen
- Gemeinsame Positionen organisieren und vertreten. Es gibt immer Schnittmengen!
- Nicht in die „Schönrede-Falle“ des Unausreichenden tappen
- Energiewende mit erneuerbaren Energien und Energieeffizienz gemeinsam denken
- Der BEE sollte mit Geld und Kompetenz gestärkt werden.
- Kleinen Verbände in den BEE eintreten.
- Große Verbände die Aktiven der kleinen Verbände integrieren.
- Etablierte Lobbyarbeit wie die des BDEW erforschen
- Transparenz in Lobby und Politik bringen
- Gründung einer Gewerkschaft prüfen
Was fehlt auf der Liste?
Bitte in Kommentarfeld schreiben und Appell verbreiten.
Hallo Herr Rüfer,
gut, dass Sie in aller Klarheit des Pudels Kern herausarbeiten: der Über- oder Weiterlebenskampf derjenigen, die am alten Geschäftsmodell der Energieerzeugung hängen. Alles, was in der energiepolitischen Debatte von ihnen und der (überwiegend) sie unterstützenden Politik an Kompliziertem (und Falschem) hervorgebracht wird, bezweckt die Verbrämung dieses einfachen Grundsachverhaltes.
Zu Ihren „Lösungen“: Ich würde sagen, der momentan beste Beitrag zur Lösung wäre die möglichste Verbreitung Ihrer Feststellung.
„Flickenteppich“: der existiert in der Tat und hat halt auch was zu tun mit dem (von der Technik her vorgegebenen) dezentralen Charakter der EE. Dieser erschwert nun mal den Zusammenschluss.
Gleichwohl ist dieser nötig. Eine neue Gewerkschaft wäre dazu wohl nicht erforderlich, weil sämtliche Bereiche der EE durch Gewerkschaften bereits abgedeckt sind. Die IGM setzt sich auch gelegentlich für die Interessen der Windkraft ein. Auch für das Installateur-Handwerk ist eine Gewerkschaft zuständig. Natürlich ist der Organisationsgrad in diesen Sphären minimal. Hiermit hätte eine neue Gewerkschaft aber genauso zu tun. Die Haltung von Verdi zur Braunkohle ist natürlich beschämend, es gibt aber auch eine – äußerst empörte – innergewerkschaftliche Opposition. Stadtwerke gehören vermutlich zum Feld von verdi. Von hier aus sollte etwas zu machen sein.
Im übrigen existieren ja EE-Verbände. Ich frage mich schon lange, was eigentlich der Grund dafür ist, dass diese so leisetreterisch und geradezu unterwürfig bis botmäßig auftreten. In ihren Stellungnahmen zur Regierungspolitik (z.B. Grünbuch, Weißbuch) nutzen sie die ersten Seiten, um ihren heißen Dank an die Regierung zu artikulieren: dass alles nicht noch viel schlimmer ist als es ist, was ja auch hätte sein können. Es folgen dann ein paar vorsichtige Anmerkungen, dass man dieses oder jenes Detail gern doch vielleicht ein bisschen anders hätte….
Glauben sie, durch solche Attitüde die Regierungsherren gnädig stimmen und zu ein paar Zugeständnissen bewegen zu können? Dass dies nicht gelingt, sollte spätestens seit EEG 2014 erkannt worden sein. – Mir kommt es mehr und mehr so vor, dass die Verbands-Funktionäre nicht nur für die E-Wende, sondern auch für ihren Arbeitsplatz engagiert sind: Sollte es dazu kommen, dass die E-Wende Schiffbruch erleidet, dann wollen sie einen Ruf als umgängliche, „vernünftige“ Leute haben, damit sie in irgend einer anderen Sparte unterkommen können.
M.E. müssen wir alles daran setzen, dass die E-Wende gelingt und hierfür auch Risiken eingehen.
Schöne Grüße!
Christfried Lenz
Schöne Ausarbeitung … aber die EE-Strategie sehe ich im Punkt: Was einer allein nicht schafft, das schaffen viele GEMEINSAM! in der zeitlichen Abfolge anders. Zuerst müssen EE-, Klima- und Naturschutzvereinigungen gemeinsame, danach differierende Standpunkte zu Themen offen und konstruktiv diskutieren. Dabei bildet sich Verständnis und Vertrauen. Danach folgen weitere organisatorische Maßnahmen, die mittelbar von personellen Fragen begleitet sind. All das muss unter einer gemeinsamen Zielsetzung hart, sachlich und fair miteinander angegangen werden. Mit anderen Worten: die dezentral und regional zu gestaltende Energiewende braucht zentrale Strukturen!