Im Aufruf zur Blogparade wird gefragt, ob die Sektorenkopplung der Schlüssel zur Energiewende sei. Nun werden Sie vielleicht erwarten, dass ich Studien und Szenarien zitiere und mit technischem Fachwissen anreichere. Was wäre die Essenz der Antwort? Ja, der Wechsel hin zu hundert Prozent erneuerbaren Energien ist technisch machbar. Davon konnte ich mich in über einem Jahrzehnt thematischer Auseinandersetzung überzeugen.

Ich finde, wir müssen endlich umdenken

Lassen Sie mich etwas ausholen: Aktuell darf ich an einem Forschungsprojekt zu `Narrative in der Bildung für nachhaltige Entwicklung´ mitwirken. Dabei analysieren wir Erzähl-Linien von Storys oder Kampagnen. In mehreren Destillations-Schritten nähern wir uns unausgesprochenen Überzeugungen. In diesem Fall könnte diese Überzeugung – das dann ausgesprochene Narrativ – lauten: „Das Klimaproblem ist technisch lösbar.“

Ist es das? Im Studium der Nachwachsenden Rohstoffe und Erneuerbaren Energien haben wir unterschiedliche Potenziale kennen gelernt. Das technische Potenzial ist erst einmal eine theoretische, absolute Größe, die unter Anderem durch ein politisches und ein wirtschaftliches Potenzial eingeschränkt, in gewisser Weise also relativiert wird. Einfacher gesagt: Wenn die technische Betrachtung ausreichen würde, hätten wir bereits heute hundert Prozent erneuerbare Energien realisiert. Umdenken heißt also, dass wir als Gesellschaft unserem Denken und Handeln eine andere, alternative Richtung geben müssen. Wie sagte doch Francis Picabia so schön: „Der Kopf ist rund, damit unser Denken seine Richtung ändern kann.“

Nun könnte ich fortsetzen und auf die Politik und ihre Beeinflussbarkeit durch wirtschaftliche Kräfte eindreschen. In der Tat missfällt mir einiges am politischen Betrieb und ich will, dass wir unsere Demokratie reparieren. Alles, was Licht in das Dickicht des Lobbyismus bringt, ist gut. Mit einer nüchternen Analyse kalter Interessenlagen kann viel von dem Unsinn nachvollzogen werden, der verzapft wird. Beim Blick in Richtung Berlin übersehen wir uns selbst.

Nun könnte ich zeigen, was wir als wirtschaftliche Akteure und Wähler tun können, um tatsächlich mehr Projekte, mehr Investitionen und sinnvollere Rahmenbedingungen auf die Gleise zu bringen. Auch das finde ich ausgesprochen sinnvoll. Ich könnte fortführen und das pauschale Wirtschaftswachstum kritisieren, das Schrumpfen atomar-fossiler Energien und ein kometenhaftes Wachstum erneuerbarer Energien – ja, aller nachhaltiger Branchen – fordern. Dazu würde ein weiteres Zauberwort passen: „Suffizienz“. Im Gegensatz zu „Insuffizienz“ finde ich Suffizienz klasse, weil das Wort besagt: „Weniger kann viel mehr sein“. Zum Beispiel in dem Moment, in dem man mal richtig zur Ruhe kommt, mal tiefe Verbundenheit mit der Natur, mit geliebten Menschen und mit sich selbst genießt.

Für mich ist Sektorenkopplung etwas anderes

Hinter jedem Ansatz steckt eine unbewusste Überzeugung, wie die Energiewende oder größer der Wandel hin zu einer zukunftsfähigen Gesellschaft gelingen könne. Nur keiner der Ansätze kann den Wandel allein schaffen; schon gar nicht vermag dies eine einzelne Person oder Personengruppe. Wie helfen solche Gedanken bei der Energiewende?

Sicherlich haben Sie ein Gefühl für die unterschiedlichen Sichtweisen auf die Energiewende.

Auf den ersten Blick widersprechen sich derartige Grundüberzeugungen häufig. Dies kann zu schmerzhaften Kontroversen führen. Blöd nur, wenn sich unterschiedlich Überzeugte mit gleichem Ziel untereinander zerfleischen – zumal wir ohnehin noch eine Minderheit sind.

Einfach mal die persönliche Freiheit anzuerkennen, dass sich jede und jeder auf eigene Weise gesellschaftlich einbringen kann, ist eine gute Haltung. Es ist doch wunderbar, wenn Menschen eine Intention haben, mit der sie die Gesellschaft positiv beeinflussen wollen!

Denken wir weiter um!

Ein guter erster Schritt zum Umdenken ist, sich selbst die eigenen unbewussten Überzeugungen bewusst zu machen. Was denke ich selbst, wie wir die Gesellschaft verändern können? Und was bedeutet für mich Energiewende?

Meiner Meinung nach müssen wir nicht nur technisch intelligente Kombinationen bauen, bei denen sich unterschiedliche Kräfte ergänzen, sondern gesellschaftlich relevante. Nur so können ausreichende Potenziale erschlossen werden, um die Klimakrise einzudämmen. Dabei muss man zwei Dinge wissen: Immer wenn wir uns in einem Gespräch unbewussten Grundüberzeugungen unseres Gegenübers nähern, treten bei der betroffenen Person Abwehrhaltungen auf. Das ist ein gutes Indiz für ein Narrativ. Zweitens fühlen wir uns mit Menschen mit anderen Grundüberzeugungen nicht in Resonanz. Entsprechend herausfordernd ist es, solche Kopplungen oder Kooperationen anzubahnen.

Was wir dabei allerdings nicht aus den Augen verlieren dürfen, ist der innere Kompass für unser Ziel, den Klimawandel wirklich anzuhalten. Bitte verwechseln Sie meine Anregung nicht mit einer laschen Konsens-Suppe, in der massive Interessenskonflikte ausgeklammert werden. Selbstverständlich gibt es Gewinner und Verlierer beim Kohleausstieg, wenn nicht mehr mit fossiler Energie weder geheizt noch gereist wird, oder wenn Atomkraftwerke abgeschaltet werden. Und genau damit müssen wir lernen umzugehen.

Wenn Sie so umdenken, welche Ideen kommen Ihnen dann?

Ich freue mich auf einen lebhaften Diskurs mit Ihnen! Weitere Storys im Rahmen der Blogparade zur Sektorenkopplung werden Sie hier finden. Keine Sorge, die Anderen werden das Thema technisch oder politisch betrachten.