Heute bin ich mit dem Zug auf Achse in das Congress Centrum der Landeshauptstadt Hannover. Die Branche trifft sich mit der Politik, so hieß es in der Ankündigung des „2. Windbranchentages Niedersachsen-Bremen“ beim Bundesverband Windenergie. Inhaltlich ging es neben dem Networking um die angedrohten Ausschreibungen und um Landespolitik. Das Branchen fordern ist nichts Neues. Wieviel aber hat Niedersachsen bei den Entscheidungen zu sagen? Gestaltet rot-grün? Oder ist man mehr zu einer rot-grünen Flagge im Winde der großen konzernbeeinflussten Bundespolitik geworden?
Jetzt wo ich da bin sehe ich zuerst eine Demonstration für Windkraft. Methodisch erschien es wie eine sinnvolle Inszenierung entspannter Gäste für Pressefotos. Botschaft: Akteursvielfalt! In diesem Ziel sind sich inklusive Niedersachsens Umweltminister alle einig.
Zweiter Eindruck: Es ist größer als ich gedacht hätte. Man hat einen sehr professionellen Auftritt hingelegt.
Ausschreibung. Angedroht?
Sicherlich ist es auch Ihnen klar, wie sehr die ab 2017 angedrohten Ausschreibungen die Akteursvielfalt eindampfen werden. Das BMWi arbeitet an der Demontage kleiner und mittelständischer Unternehmen, denn die alte Akteurs-Einfalt soll wieder entstehen. Falls sich Gabriel und seine Einflüsterer durchsetzen, wird es nach der Re-Zentralisierung dieser Legislaturperiode nur die alten Konzerne und und ein paar größere Windenergie-Projektierer im aktiven Windgeschäft geben.
Ausgesiebt werden die kleineren und bedeutenden Energiegenossenschaften. Diese werden keine neuen Windenergieanlagen mehr bauen können. Selbst die einst so schillernden größeren Projektierer wie JUWI oder auch Windwarts sind in die Hand der müllverbrennenden MVV-Energie geraten. Den einzigen Erfolg gegen diesen Trend konnte Prokon verzeichnen. Hier haben viele kleine Energiewelt-Gestalter der großen EnBW ein Schnippchen schlagen.
Der Trend ruiniert essentielle Akzeptanzvorteile die Mutgestalter und Mitgestalter in früheren Jahren vor Ort erkämpft haben. Diese aber haben kaum Lust künftig als einflusslose Akzeptanzgehilfen in der Einflusssphäre von Energiekonzernen anzutreten.
Landespolitik? Es geht um Rückenwind.
„Ich glaube das die Akzeptanz in der Bevölkerung ein ganz ganz entscheidender Faktor ist“.
Stefan Wenzel
Im Umweltministerium unseres Landes arbeitet daran Minister Stefan Wenzel. Er und ich stammen beide aus der Wedemark und haben auch beide in Göttingen studiert. Gelingen dem Grünen-Politiker die entscheidenden Akzente für eine nachhaltig gemachte Energiewende? Noch weiß man dies nicht.
Chefsache ist die Energiewende in Niedersachsen offenbar nicht: Oder haben Sie hier den schlanken sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Stephan Weil gesehen?
Der Windenergie-Erlass soll im Dezember kommen.
Das hieß es auch schon Mitte 2014. Damals war es nur der Dezember aus dem Vorjahr. Der Bundesverband Windenergie hat ihn „ab sofort“ gefordert und Postkarten mit dieser Forderung verteilt. Der große Nutzen des anvisierten Erlasses wäre, dass die vielen Debatten, die an jedem Standort einzeln geführt werden, künftig in einem belastbaren Windenergieerlass geregelt sind. Dieses Ergebnis wäre ein großer landespolitischer Erfolg.
Wenzel redet mit allen Fraktionen. Er nannte Detail-Aspekte wie die Vermeidung einer Befeuerung bei Nacht, die ausgehandelt werden sollen. Er sitzt in der Zwickmühle zwischen Umwelt- und Klimaschutz. Dieses Dilemma spielen die in Niedersachsen vital organisierten Windkraftgegner gerne aus.
Um jeden Preis dagegen
So lässt sich die eigentliche Kernbotschaft der Windkraftgegner „Vernunftkraft“ beschreiben. Warum? Das erkennt man in den vorgetragenen Scheinargumenten kaum. Vernünftig wäre es, wenn Vernunftkraft ein alternatives Klimaschutzkonzept erarbeitet. Seriöse Argumente brauchen schließlich eine Abwägung innerhalb eines Bezugsrahmens. Vernunftkraft wird es jedoch auch ohne Konzept der Windenergie schwer machen und in der Politik Angst vor Wahlverlusten in den großen Parteien schüren. Grünen kann dies egal sein, denn diese werden eh nur von Klimaschutz-Befürwortern gewählt. Diese wissen, dass man Wind in einem sauberen Energiemix braucht.
Was aber nutzt die Landespolitik, wenn sie durch die Bundespolitik überstimmt wird?
In diesem Punkt sind wir wieder bei den Ausschreibungen. Der Wind der die Rahmenbedingungen prägt kommt aus Berlin und lässt das Land blass erscheinen. Merkel und Gabriel machen was sie wollen. Beteilligungen entarten zur Farce, da am Ende nur Einzelinteressen durchgesetzt werden (z.B. Klimaabgabe). Im Grunde versucht Wenzel das richtige und will das dicke Brett Bohren, um doch noch die De-Minimis Regelung der EU anzuwenden, unter der Parks mit < 6 MW die Akteursvielfalt sicherstellen könnten. Auch sieht er einen jährlichen Neubaubedarf von 4,5 GW. Heute ist es auf nur 2,5 GW gedeckelt.
Auch Sozialdemokrat Carsten Sieling, der seit Juli in Bremen Ministerpräsident ist, will dieses Brett durchbohren. Dafür setzen sich alle Nordländer gemeinsam ein. Wer genau hinschaut, der sieht, dass relevante Teile der SPD andere Vorstellungen als ihr Chef Gabriel vertreten. Auch der stellvertretender Bundesvorsitzender der SPD Thorsten Schäfer-Gümbel hatte bei einem Treffen mit uns Energiebloggern den Nachbesserungsbedarf eingeräumt. Der Antrag zur Einhaltung der De-Minimis-Regelung kommt sogar aus NRW!
Fazit
In Niedersachsen weht ignoranter Ostwind aus Berlin. Ich bezweifle, dass im derzeitigen Machtgefüge grüne Landesminister etwas Signifikates im Bund erreichen. Bei Entscheidungen der Landesebene kann es deutlich besser aussehen. Dafür müssen wir die Ergebnisse der amtierenden Landesregierung abwarten. Es werden richtige Stellschrauben angefasst. Noch bleibt Zeit zum drehen.
Im Bund stärkt man konsequent große Marktteilnehmer, was die großen Linien in den Ländern prägt. Berliner Bürgerbeteilligung ist nur noch eine Maskerade von der Gabriel gerne erzählt. Unglaublich wenig von dessen Ergebnissen sind in die großen Entscheidungen eingeflossen. Berliner Bürgerbeteilligung eine Marktforschung, um die richtigen Worte zum verpacken falscher Entscheidungen zu identifizieren.
Eine andere fehlende Augenhöhe hatte BWE-Landeschef Roman Denter heute wunderbar im Bezug auf Energiekonzerne ausgedrückt:
„Wir wollen mit den Dinosauriern auf Augenhöhe kommunizieren. Und nicht wie bisher mit unseren Augen dort wo die ihre Hühneraugen haben.“
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