Den schrittweisen Kohleausstieg zu fordern ist richtig. Dabei dürfen jedoch nicht leichtfertig die hart arbeitenden Malocher vergessen werden, deren Jobs gefährdet werden. Entsprechend musste ich aufhorchen, als ich in einem Gespräch in Berlin von einer Studie gehört habe, in der die soziale Perspektive für die Arbeiter mitgedacht wurde. Diesen „klima- und sozialverträglicher Transformationsfahrplan“ sollten Sie kennen. Erstellt hat ihn das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) im Auftrag von Greenpeace. Es kann zu einer Blaupause für einen schrittweisen Kohleausstieg werden und bietet nicht nur dem Klima, sondern auch den vermeintlichen Verlierern der Energiewende eine Zukunft. 

Viele Kohlegegner, wie die tapferen Demonstranten im Garzweiler (#EndeImGelände), fordern plakativ „den Kohleausstieg“. Liebe Mitstreiter für den Klimaschutz: Wir müssen einen „schrittweisen Kohleausstieg“ fordern, wenn wir uns nicht das Makel reisserischer Äußerungen ans Bein binden wollen. So etwas geht nicht von einen Tag auf den anderen. So viel Realismus sollten alle Befürworter aufbringen, wenn sie in einer Diskussion ernst genommen werden wollen.

„Vattenfalls Chance“

So lautet die Kurzstudie in der es um eine Zukunft für die Lausitz ohne Braunkohle geht. Der Plan wurde als Alternative zum Verkauf von Vattenfalls Kohlesparte skizziert. Damit werden die Probleme weitestgehend gelöst und nicht nur wie beim Verkauf verschoben, wie ich bereits letztes Jahr beschrieben hatte.

Mit folgenden Annahmen wurde gerechnet:

  • Vattenfall bleibt in der Lausitz
  • Vattenfall fährt sein Braunkohlegeschäft innerhalb von 15 Jahren bis 2030 ohne neue Tagebaue herunter.
  • Vattenfall baut das Geschäft mit Erneuerbaren Energien parralel in Brandenburg und Sachsen konsequent aus.

So wird es sozialverträglich

Zuerst hatten die Forscher einen Ausstiegsfahrplan aus der Braunkohleverstromung durchgerechnet. Zuerst muss klargestellt werden, dass in der Region so oder so Jobs abgebaut werden. Dies geht aus einer Studie im Auftrage von Vattenfall hervor:

Aber auch im Falle eines Weiterbetriebs der Kraftwerke und Abbaugebiete wird basierend auf Prognos (2011; 2012) bis 2030 mit einem 50%igen Rückgang der direkt in der Braunkohleindustrie Beschäftigten gerechnet. Aufgrund der Altersstruktur der Beschäftigten der Braunkohlewirtschaft ist anzunehmen, dass die Zahl der altersbedingt bis 2030 ausscheidenden Mitarbeiter/-innen eher höher liegt, sodass ein entsprechender Rückgang sozialverträglich gestaltet werden kann.
Mit dem Ausstieg bis 2030 gehen alle Arbeitsplätze in den Tagebauen und Braunkohlekraftwerken verlohren. In der Summe wären dies rund 4.100 Jobs. In einer Abwägung mit anderen Jobverlusten in der Energiewirtschaft erscheint diese Zahl vergleichsweise gering.
Die „sozialverträgliche Alternative“ der Forscher bedeutet, dass zumindest zahlenmäßig die Arbeitsplätze durch neue Jobs im Ausbau Erneuerbarer Energien kompensiert werden können. Möglich ist dies, weil es insbesondere in der Lausitz erhebliche EE-Potenziale gibt. Weitere Zukunftsfelder wie erneuerbare Wärme oder Power-to-X bieten zusätzliche Chancen zum Jobwachstum in der Region.
Für Einzelne der 4.100 bleibt es hart, wenn beispielsweise die Qualifikation nicht passt. Ensprechend müsste in meinen Augen auch eine Fortbildungs- und Umschulungsstrategie eingeplant werden. In diesem Punkt verspricht die Studie mehr, als sie hält.

So gelingen die Klimaziele

Im Ergebnis würden laut den Studienautoren bei einem schrittweisen Braunkohleausstieg bis 2030 die Klimaziele von Deutschland, Brandenburg und Vattenfall erreicht werden. Konkret geht das so:

Allerdings ist davon auszugehen, dass die neueren Kraftwerke Boxberg IV und Lippendorf möglichst lange betrieben würden, sodass die Reduktion in den letzten zwei Jahren wieder besonders steil ausfällt. Ohne die gegenwärtig unwahrscheinlich erscheinende CC(T)S/CCU-Technik sind die Klimaschutzziele Brandenburgs für das Jahr 2030 voraussichtlich nur mit einem Ausstieg aus der Braunkohleverstromung zu erreichen. Gleichzeitig leistet der Ausstiegsfahrplan einen wichtigen Beitrag zur Erreichung der bundesdeutschen Klimaschutzziele. Die bis Anfang 2013 genehmigten Kohlevorkommen wirken in diesem Fahrplan zu keiner Zeit limitierend.

Eigentlich müsste die Studie „Chance für die Lausitz“ heißen

Die Perspektive in der Lausitz ist schwierig. So wies das Dresner Ifo-Instituts auf den Bedarf intensiver Bemühungen hin, um die wirtschaftliche Zukunft der Lausitz zu sichern. Noch aber gibt es keinen Plan. Vattenfall könnte Verantwortung übernehmen:

Vattenfall und andere regionale Akteure könnten durch ihre Investitionen dazu beitragen, dass eine klima- und sozialverträgliche Transformation der Energiewirtschaft in der Lausitz stattfindet. Damit würde das Unternehmen zu einem Vorreiter für die Energiewende und trüge zu einer sozialverträglichen und ökologischen Alternative für die Region und seine derzeitigen Beschäftigten bei. Die Chancen für die Lausitz sind vorhanden, sie sinken aber, je länger an den alten auf Braunkohleverstromung basierenden Strukturen festgehalten wird.

Fazit

Das Papier ist von strategischer Bedeutung. Erkennen kann man die Wichtigkeit der Kohlekumpel an den Demonstrationen durch Gewerkschaften und dem darauf folgendem Scheitern der Klimaabgabe. Auch kann man daran die Macht der Energiekonzerne erkennen. Dennoch ist das Arbeitsplatzargument ernst zu nehmen, denn es geht ja wirklich um das Wohl der Leute. In dem Konzept fehlen Antworten auf Einzelschicksale. Für die Lausitz und andere Regionen aber bieten erneuerbare Ausbauszenarien jedoch hervorragende Jobperspektiven und neue Wertschöpfungsfelder. Auch werden erhebliche Umweltkosten eingespart. In der Lausitz wären dies alleine 80 Milliarden Euro – die bislang auf die Allgemeinheit abgewälzt werden.