Nach dem diesjährigen Open Table beschäftigt mich ein Glaubwürdigkeits-Dilemma. Reflektierend und zugleich beseelt sitze ich im Zug zurück nach Frankreich. Andreas, Martin, Mareike und ich haben zum Thema Video für die Gebäude-Energiewende mit vitalen Gästen diskutiert und Ideen kreiert. Wir sprachen über Videos für YouTube mit Dialogorientierung. Ein Gast wollte wissen wie das Ganze überhaupt mit dem Marketingziel passen soll. Ein anderer Gast empfand vieles als langweilige Schleichwerbung. Lässt sich das Dilemma auflösen? Oder zerstört ein Marketingziel per se jedwede Glaubwürdigkeit?

Wir brauchen Aufklärer und Marketing für die Gebäude-Energiewende

Unser Ziel ist die Basis: Mit Videos, Blogs und Dialogen in sozialen Medien wollen wir u. a. zur Gebäude-Energiewende bewegen. Zur Erreichung des Zieles werden ebenso gemeinnützige, neutrale, aufklärende Absender gebraucht wie auch diejenigen die es umsetzen. Umsetzer sind in dieser Welt meist durch Umsätze und Gewinne motiviert. Auch Arbeitnehmer haben ja einen Grund, weshalb diese arbeiten statt dauerhaft zu urlauben

Vorsichtig muss man jedoch dann werden, wenn Gewinnerzielungsabsichten Aussagen verzerren oder Ideale durchschaubar vorgetäuscht werden. Wir brauchen also unabhängige Aufklärer, die das einzelne Produkt in das große Ganze einsortieren und Marketing, dass Übertreibungen selbst zurück hält. Einem Verkäufer wird man immer unterstellen, dass Nachteile und Alternativen verschwiegen werden. Dem ehrlichen Verkäufer aber blüht mehr Vertrauen und damit Kundenbindung.

Abhängigkeit muss bei allen nachvollziehbar sein

Von dem Dilemma in das Verlage mit ihren Lobbyveranstaltungen geraten sind, kann man folgendes lernen: Um Glaubwürdig zu bleiben, muss man Abhängigkeiten definitiv transparent darstellen.

  • Zahlungen müssen deutlich erkennbar gekennzeichnet werden. Sonst ist es eine Schleichwerbung. Das gilt auch für Produkterwähnungen in Videobildern.
  • Auch indirekte wirtschaftliche Beziehungen über andere Projekte müssen transparent dargestellt werden.
  • Selbst wenn man sich nur gut vom Golfclub oder Yoga kennt sollte dies mitgeteilt werden.
  • Wissenswert ist es auch, wenn ein Sponsoring ein Thema auf die Agenda gesetzt hat. Das ist auch dann der Fall, wenn man innerhalb des Themas inhaltlich frei berichtet.
  • Auch ein Themenfokus und damit die Weglassung anderer Themen kann transparent gemacht werden. Das betrifft sinnvolle Redaktionsleitplanken innerhalb denen unternehmerischere Absender ihre Content-Macher frei arbeiten lassen.

In einer offenen Transparenzkultur werden viele Täuschungsversuche vermieden. Damit ist die Glaubwürdigkeits-Kuh teilweise bereits vom Eis. Wenn mir jemand etwas ehrlich verkaufen will, dann schalte ich zwar weg, wenn ich es nicht brauche. Wenn ich mich aber wirklich interessiere, dann bleibe ich drann. Oder der Unterhaltungswertes fesselt.

Wenn ich aber das Gefühl habe, dass mir etwas hinterrücks verkauft werden soll, dann ärgere ich mich und entwickele eine schlechte Einstellung gegenüber dem Absender. Das Vertrauen ist damit dauerhaft belastet.

Welche Themen passen zu Unternehmen?

Corporate Blogs und Unternehmenskommunikation werden zu oft einsilbig am „return on investment“ gemessen. Das führt leicht in eine große lange Weile und ist ebenso plump wie ein Anrufer, der ohne Unterbrechung Einwand-Behandlungtechniken aus dem Sales-Seminar anwendet. Ich will damit nicht den Verkauf an sich verteufeln, sondern für viele weitere Ziele sensibilisieren:

  • Kundenservice
  • Beschwerdemanagement
  • Feedback für Produktentwicklung
  • Marktforschung
  • Unterhaltung
  • Erklärung
  • Umsetzungsgeschichten

Im „Content Marketing“ spricht man vom echten Mehrwert für die „Dialoggruppe“ und einzelne „Interaktionspartner“. Dies kann auch ein ideeller Mehrwert sein. Bei Tesla beispielsweise glauben viele dem Herrn Musk, dass er mit den Produkten wirklich Spielregeln im Markt zum Guten wandeln will. Es kann immer auch ein gefühlter Mehrwert sein. So finde ich das Gefühl, die Menschen dahinter wirklich zu kennen, attraktiv. Ich kaufe auch lieber beim Biobauern um die Ecke ein.

Welche Themen passen zu selbstbestimmten Publizisten?

Echte YouTuber und freie Blogger haben den Charme einer maximalen Selbstbestimmung. Das ist eine gute Voraussetzung, um glaubwürdig das Große und Ganze thematisieren zu können.

Dabei wird es noch wichtiger die Abhängigkeiten transparent zu machen, weil ja gerade die heimliche Schleichwerbung besonders wirksam ist. Da auch für die meisten selbstbestimmte Publizisten am Monatsende die Miete oder Kreditrate fällig wird, muss auch für diese ein direktes oder indirektes Geschäft möglich sein.

Bei Produktvergleichen beispielsweise könnte auch von allen Unternehmen der selbe Betrag genommen werden. Wenn es transparent wäre und alle mitmachen, dann wäre den guten Anbietern geholfen. Oder die Leser zahlen für Unabhängigkeit, so wie es die Stiftung Wahrentest macht. Das aber ist im Internet bislang erstaunlich selten erfolgreich.

Welche Themen passen zu Nicht-Regierungs-Organisationen?

NGO´s tun manchmal so, als wären diese wirtschaftlich unabhängig. Diese basieren auf Spenden, Sponsoring und Gördergeldern. So wird Fundraising optimiert und manchmal das thematische Fähnchen im Winde der Förderkulissen aufgehängt. Ehrenamt reicht nicht, womit wir wieder bei der Miete sind.

Damit steckt also auch dort immer dann ein Teufel im Detail, wenn Abhängigkeiten intransparent sind. Wie bei selbstbestimmten Publizisten können NGO´s zu Schleichwerbern und Akzeptanzbeschaffern verkommen. Dennoch sind NGO´s wichtig, um langfristige Agenden zu verfolgen. Nachhaltigkeit ist eben mehr als die schnelle Gewinnerzielung. Daraus erwächst ebenso eine Verantwortung zur Aufklärung.

Was denkt ihr? Welchen Absendern traut ihr über den Weg?