Ob im Ehrenamt oder im Beruf: Medienkompetenz ist ein Bildungsschlüssel, um die nachhaltige Entwicklung zu stärken. Bildung passiert nicht nur durch bloß passiven Medienkonsum. Vielmehr gedeiht Wissen durch das aktive Gestalten, Erklären und Schreiben von Inhalten. Im „Web 2.0“ vermischen sich die Rollen der passiven Konsumenten und aktiven Produzenten. Diese Entwicklung eröffnet Chancen digital vernetzter Graswurzel-Bewegungen, die von unten die gesellschaftliche Entwicklung mitgestalten. Die Hürden zu eigenen Publikationen sind geringer denn je.

Im folgenden Artikel verspreche ich Ihnen anwendbares Erfahrungswissen. Gewiss haben Sie bemerkt, dass „ich“ „Sie“ anschreibe. So bin ich es als Blogger und im Alltag der sozialen Medien gewohnt. Dort gehört die Person hinter der Tastatur so sehr zum guten Ton, wie sie in wissenschaftlichen Texten versteckt wird. Persönlichkeit ist wichtig beim Erzählen einer Geschichte. Das „story telling“ ist auch deshalb ein guter Zugang, weil erst eine konkrete Person mit einem ureigenen, individuellen Charakter die Grundlage bietet, um eine Beziehung aufzubauen. Ist aber erst eine Beziehung vorhanden, dann ist auch das Gefühl der Verbundenheit und Betroffenheit nicht fern, welches doch in so vielen sensiblen Fragen der Nachhaltigkeit vermisst wird.

Wie gewinnen wir Leute für uns und unsere Sache?

Gute Intentionen sind durchaus häufig. Leider aber auch die Enttäuschung bei mangelnden Rückläufen. Anstelle von Resignation oder Vorwürfen ist ein fundamental neu ausgerichteter Blickwinkel nötig: Wir müssen dort ansetzen, wo bereits ein Interesse besteht. Dazu heißt es aufmerksam zuhören und ganz fein darauf lauschen, was den Gesprächspartner wirklich interessiert und unbewusst bewegen könnte. Wenn wir die angesprochenen Menschen in der Kommunikation, aber auch in der gesamten Projektausrichtung, in den Mittelpunkt gestellt haben, dann können wir Leute für unsere Sache gewinnen.

Wer sich beispielsweise Sorgen um den „Weltuntergang“ in fünfzig Jahren macht, der muss die Augen dafür öffnen, dass sich sein Gegenüber vielleicht gerade um seinen Dispokredit, eine unerfüllte Liebe, fragliche Karrierechancen, sein pubertierendes Kind, Einsamkeit oder schlicht Stress sorgt. Diese Einsicht teilt auch der australische Umweltaktivist Paul Gilding in seinem Buch „Die Klimakrise wird alles ändern. Und zwar zum Besseren“. Lange Zeit versuchte er vergeblich, Menschen mit naturwissenschaftlichen Fakten aufzurütteln. Seitdem er aber vor der kommenden Wirtschaftskrise warnt, die durch die Umweltkrise verursacht wird, trifft er den Nerv seines wachsenden Publikums. Es sind die empfundene Lebenswirklichkeit und die tatsächlich bewegenden Gefühle, in die ein Angebot passen muss. Dann wirkt es auch anziehend.

Tipp: Manchmal hat man bereits einen eingängigen Zugang für seine Botschaft gefunden. Dafür hilft die Frage: „Wie sind bisher gute Sachen entstanden?“. Auf solche Stärken sollte man setzen.

Was bringen uns dabei soziale Medien?

Grundsätzlich muss also das Angebot in die Zielgruppe passen. Dann bieten soziale Medien und Blogs die Möglichkeit, dass man andere gut einbinden kann. Indem man andere unterstützt, erfährt man selbst Unterstützung. Indem man gezielt fragt, lernen einen andere kennen. Indem man mitliest, versteht man, was andere brauchen. Der größte Vorteil sozialer Medien ist, dass schnell und problemlos mitgemacht werden kann. Viele Aktionen sind nur einen Klick entfernt. Campact nutzt dies hervorragend für das Sammeln von Unterschriften – man kann sich leicht mit seinem Namen hinter einen Apell stellen und dies dann auch auf Facebook, Twitter und Google+ mit seinen Netzwerken teilen. Die Dialogmedien sind eine gute Möglichkeit, um einfache, „niederschwellige“ Einstiegshäppchen zu servieren.

Botschaften werden im Gehirn emotional verarbeitet. Es gibt mehrere emotionale Sackgassen, aus denen soziale Medien einen Weg bahnen:

Das Gefühl, Teil einer Lösung zu sein, kann in dieser neuen Medienlogik viel leichter vermittelt werden. Noch mehr begeistert mich dabei, dass viele sich im Online-Netz nicht mehr als ohnmächtige Einzelkämpfer fühlen müssen. Diese neuen Stärken gilt es auszuspielen.

Lernen durch bloggen und soziale Medien

Ich kenne den Effekt aus dem Studium: Alles, was ich meinen Freunden erklären konnte, habe ich mir selbst sehr gut gemerkt. Das Buch „Neuromarketing im Internet“ bestätigt diese Erfahrung: Die Behaltensleistung beim „Selbsttun“ ist am höchsten:

  • 90 % selbst tun
  • 70 % selbst sagen
  • 50 % hören & sehen
  • 30 % sehen
  • 20 % hören
  • 10 % lesen

Zugleich ist dies ein deutlicher Hinweis auf die Stärke von Videopodcasts und auf die Stärke des Online-Dialogs an sich. In einem Videopodcast sprechen die Blogger den Bericht und können dies mit Grafiken anreichern. Ich sollte es künftig selbst probieren, in dem ich meine Blogartikel zusätzlich als vorgelesene Version im Videoformat und über Youtube anbiete. Die Rückschlüsse der Buchautoren gehen in die Richtung interaktiver Websites, bei denen video-animierte Menschen auf eigene Klicks reagieren. Wenn man auf Websites mehr selbst tun kann, dann ist es auch nicht weit in Richtung „Gamification“, wobei man bewusst die Spielmechanismen der „Zockergeneration“ in der Website- und Appgestaltung einsetzt – sofern man den hohen Aufwand betreiben kann.
Alle, die Sie für Ihre Medienarbeit gewinnen, werden geschult. Neben dem Wissen wird auch die Kompetenz im Erklärenkönnen ausgeprägt. Daraus erwächst ein Instrument, durch das Sie Ihre „Gastautoren“ ausbilden und einbinden können. Das Mitmachgefühl treibt an. Es ist auch ein Ausdruck der Wertschätzung, wenn beispielsweise Vereinsmitglieder ihre Kenntnisse und Ansichten zeigen dürfen. Dabei ist aber auch ein wohlwollendes redaktionelles Feedback wichtig, um die Verständlichkeit der Inhalte sicherzustellen.

In der Themenwahl gibt es zwei Geheimnisse:

  1. Gut angenommene Themen treffen vorhandene Bedürfnisse und Interessen
  2. Gut gemachte Inhalte kommen aus dem Impuls der eigenen Neugier

Vernetzung: digital und persönlich!

Für das Gelingen eigener nachhaltiger Projekte ist ein gutes Netzwerk notwendig. Nur gemeinsam können wir unsere volle Stärke entfalten. Dies habe ich in den bisherigen Jahren meiner Selbstständigkeit immer mehr gemerkt. Wenn man sich mit interessanten Menschen mehrmals austauscht, kann das nicht nur hilfreich sein – es bereitet eine besondere Freude und Kommunikations-Zufriedenheit. Manche stören sich an der Oberflächlichkeit sozialer Medien, bis sie diese skurrilen Momente erleben, in denen aus einem kleinen Pixelbild ein echter Mensch geworden ist. So verdichten sich nach und nach Bekanntschaften von der digitalen in die persönliche Welt und umgekehrt.

Vernetzungsbeispiel: Energieblogger

Ein gutes Beispiel ist das Netzwerk der Energieblogger: Dort haben wir uns verbündet, um unabhängig über die Energiewende zu berichten. Unsere freien Meinungen äußern wir aktiv, um sowohl Fehlberichten als auch PR-Verzerrungen entgegenzutreten. 2012 gab es erste Treffen, 2013 wurden Logo und 21 Blogger vorgestellt – heute zählen wir bereits 53 Online-Journalisten. Uns verbindet ein Ziel: Bis spätestens 2050 wollen wir eine dezentrale Energiewende mit regenerativen Energien erleben. Zu Jahresbeginn erreichten wir bereits monatlich 180.000 Interessierte. Gebündelt packen wir Aktionen an: So wurden bei „Germany´s Next Top EEG“ 13 Reformentwürfe systematisch verglichen. Wir wollen wissen, was wirklich der dezentralen Energiewende mit 100 % regenerativen Energien dient. Der Klebstoff für die virtuellen Kontakte sind auch hier Treffen von Angesicht zu Angesicht. Online organisieren wir uns in einer geschlossenen Google+ Gruppe und halten Telefonkonferenzen ab.

Wir brauchen neue Sichtweisen in der Kommunikation für Nachhaltigkeit

Während wir Wege zum Wandel mit dem Ziel einer nachhaltigen Welt suchen und gehen, wandelt sich die Kommunikationslandschaft rapide und immerfort. Diese Änderungen sollten uns willkommen sein – lasst sie uns für die nachhaltige Entwicklung nutzen! Wagen wir doch den Versuch, über die „Mitmach-Medien“ einen Teil der nötigen Veränderungen in unserer gemeinsamen Kultur und damit im individuellen Verhalten anzuregen!

Erfolgreiche Nachhaltigkeits-Kommunikation sensibilisiert Menschen, markiert die Probleme und kreiert ein Gefühl der Bewusstheit. So steckt Stephan Bohle in seinem Buch „Visualizing Sustainability“ den Rahmen ab, in dem kreatives Tun der Nachhaltigkeit nützen kann. In dem Buch finden Sie eine Sammlung brillanter Beispiele.

Es geht um mehr als den Konsum von Produkten. Es geht um die Vermittlung lebenswerter Alternativen. Anstelle des erhobenen Zeigefingers müssen wir in den Zielgruppen nicht eine statistische Masse, sondern den ganzen Menschen sehen. Philip Kotler benennt dies im gleichnamigen Buch als „Die neue Dimension des Marketings“. Er schlägt vor, im menschlichen Wesen den human spirit zu sehen: Kopf, Herz und Seele der Menschen sind gleichermaßen anzusprechen. Aus der Hirnforschung ist bekannt, dass man ein Verhalten nicht über die kognitive Einsicht ändert; es müssen vielmehr die unbewussten Motive berührt werden. Diese „weichen“ Inhalte sind beim Schreiben und Gestalten insbesondere zu berücksichtigen.

Soziale Medien bieten die Chance zu mehr aktiver Zusammenarbeit. Wir „reden“ in den neuen Dialogen mehr, vernetzen uns und brauchen Offenheit, um mit uns bisher Unbekannten zu kooperieren. Wir diskutierten Konflikte aus und gehen auf Kritik ein. Wir entdecken im Feedback die Chance zur Innovation und dazu, dass wir die Menschen besser kennen lernen. Weil sie es sind, um die es in diesem Wandel geht und die ihn schultern müssen.

Kommunikative Kompetenz wird offline wie online benötigt, wobei das Zuhören ein Grundpfeiler ist. Im sozialen Internet dreht sich alles um Beziehungen. Um dort erfolgreich zu werden, ist es Voraussetzung, dass Sie die Kultur und die Mentalität verinnerlichen. Angst vor Kontrollverlust ist abzulegen. Die Zeit einseitig gesendeter Botschaften in die Masse ist vorbei; es ist die Zeit des Mitredens angebrochen.

  • Zur Verwirklichung nachhaltiger Entwicklungsprozesse wurde im Rahmen der Weltdekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ das Konzept der Gestaltungskompetenz ausformuliert. Ich glaube, dass mit der Anwendung sozialer Medien ein Teil der nachfolgend aufgelisteten Fähigkeiten gut trainiert, neu gelernt und im Verhaltensrepertoire gefestigt wird.
    Weltoffenheit und der integrierte Aufbau von Wissen geschieht durch die Recherche und das Lesen und interaktive Austauschen in sozialen Medien.
  • Man soll gemeinsam mit anderen planen und handeln können. Nur mit gelingender Kollaboration gelingt Erfolg im sozialen Web.
  • Man soll an kollektiven Entscheidungsprozessen teilhaben können. Durch Rückmeldung aus dem sozialen Netz steigt die Anzahl der Personen, die Missstände aufdecken und anprangern. Es lässt sich weniger „erfolgreich“ unter den Teppich kehren, wodurch ein Entscheidungsdruck aufgebaut werden kann.
  • Man soll sich und andere motivieren können, aktiv zu werden. In den sozialen Medien läuft die Aktivierung über das Mitmachen vieler digitaler Medienmacher.
  • Man soll selbstständig planen und handeln können. Durch die Gestaltung eigener Medienkanäle geschieht dies.
  • Nur wer Empathie für andere zeigen kann, wird erfolgreich Partner zur Kollaboration im sozialen Netz gewinnen.

  • Gilding, Paul (2012): Die Klimakrise wird alles ändern. Und zwar zum Besseren

    Pispers, Rafl / Dabrowski, Joanna (2011): Neuromarketing im Internet: Erfolgreiche und gehirngerechte Kundenansprache im E-Commerce

    Klanten, Robert (2012): Cause and Effect: Visualizing Sustainability

    Spies, Marco (2012): Branded Interactions: Digitale Markenerlebnisse planen und gestalten

    Kleinhückelkotten, Silke / Wegner, Elisabeth (2010): Nachhaltigkeit kommunizieren – Zielgruppen, Zugänge, Methoden, Hannover

    Weinberg, Tamar / Pahrmann, Corina / Ladwig, Wibke (2012): Social Media Marketing – Strategien für Twitter, Facebook & Co

    Mangold, Teresa (2012): Social Media im Nachhaltigkeits-Markenmanagement – Ein anwendungsorientiertes Modell, Deggendorf

    Belz, Frank-Martin / Bilharz, Michael (2005): Nachhaltigkeits-Marketing in Theorie und Praxis

    Hunecke, Marcel (2013): Psychische Ressourcen zur Förderung nachhaltiger Lebensstile, Bonn

    Scholl, Gerd (2009): Marketing nachhaltiger Dienstleistungen

    Löffler, Miriam (2014): Think Content!: Content-Strategie, Content-Marketing, Texten fürs Web