Als die schwarz-gelbe Bundesregierung im Jahr 2010 ihr Energiekonzept präsentierte, wurden wissenschaftlich fundierte Monitoring-Berichte angekündigt. Gestern ist nun endlich der erste erschienen. Die zeitgleich veröffentlichte Stellungnahme der offiziellen Expertenkommission hat meine eigene Einschätzung darin bestätigt, dass man in einigen Bereichen unterhalb der offiziellen Zielsetzungen liegt. Die wichtigsten Vernachlässigungen liegen in der Energieeffizienz von Gebäuden, dem schleppenden Netzausbau und dem Überschuss an Emissionsrechten.

Das Dokument der Bundesregierung liest sich überwiegend wie eine ernsthafte und objektive Analyse, die Ausblicke hingegen klingen nach einem geschönten Wahlprogramm. Bei der Expertenkommission findet man durchaus deutliche Hinweise auf offene Baustellen. Trotz gewisser Rückschritte finde ich es immer wieder richtig, einen Korridor machbarer Optionen aufzuzeigen. Mit den Worten von J.F. Kennedy: „Irrtümer werden erst zu Fehlern, wenn man sich verweigert, sie zu korrigieren.“ Aus meiner Sicht werden neben der guten Analyse auch konzeptionelle Fehler aus dem Energiekonzept weitergetragen.

Offene Baustellen unserer Energiewende:


Baustelle: ENERGIEEFFIZIENZ & MOBILITÄT

Die jährliche Sanierungsrate im Altbau muss von 1 % auf 2 % gesteigert werden. Insgesamt scheint die geplante Steigerung der Energieproduktivität zwar in Ordnung zu sein, wobei aber dieser Indikator Jahresschwankungen unterliegt. Die Energieproduktivität wird beispielsweise vom Wetter und der wirtschaftlichen Lage mitbestimmt. Im Detail stellen die Experten folgende Vernachlässigungen in den Vordergrund:

„Gleichwohl müssen Tempo und Intensität (der Energieeffizienzsteigerung) in Zukunft noch erheblich gesteigert werden, um die angestrebten Verbesserungen bei der Energieeffizienz zu erreichen. Dies gilt im besonderen Maße für den Gebäude- und Verkehrsbereich. Hier besteht ein großer Handlungsbedarf bei der Umsetzung wirksamer Maßnahmen, die sich im Gebäudebereich mit Blick auf das Ziel der Klimaneutralität in erster Linie auf die energetische Sanierung des Gebäudebestands richten müssen. Beim Verkehrsbereich sollte man sich nicht nur auf die Elektromobilität konzentrieren, sondern umfassendere Mobilitätskonzepte umsetzen, die sich an einer nichtfossilen Strategie für die unterschiedlichen Verkehrssysteme und deren Zusammenwirken im Personen- und Güterverkehr ausrichten.“


Baustelle: ERNEUERBARE ENERGIEN

Der Ausbau erneuerbarer Energien liegt auf „Mindestzielkurs“. Dennoch mahnt die Expertenkommission, dass

„das Erreichen des Mindestanteils von 35 % am Bruttostromverbrauch bis 2020 kein Selbstläufer“ sei.

Damit könnte gemeint sein, dass eine Reform mit Bremswirkung verhindert werden muss.

Die Expertenkommission fordert Indikatoren zur Umweltverträglichkeit. Neben den Klimaschutzoberzielen fehlen Indikatoren für die anderen Umweltdimensionen wie zum Beispiel Flächeninanspruchnahme, Emissionen von Luftschadstoffen, Wasserbelastung, Ressourcennutzung, Radioaktivität und die Endlagerproblematik. Ich sehe dies ebenso, denn auch erneuerbare Energien müssen ökologisch optimiert ausgebaut werden.


Baustelle: VERSORGUNGSSICHERHEIT & NETZE

Die Versorgungssicherheit ist gegeben. Die Position der Bundesregierung zur Versorgungssicherheit wird als intransparent beurteilt. In beiden Dokumenten wird auf die Notwendigkeit der Stromtrassen von Norden nach Süden verwiesen. Die Gutachter sind dabei pessimistisch:

„ Im Lichte der bereits aufgetretenen Verzögerungen beim Netzausbau lässt sich derzeit kaum belastbar beurteilen, ob und mit welchem Tempo die Fertigstellung neuer Trassen nach Süddeutschland ausreichend beschleunigt werden kann.“

Mir fehlen im Monitoring-Bericht Verweise auf die Dezentralität, mit der der Bedarf dieser notwendigen Trassen reduziert werden kann. Ebenfalls werden die notwendigen Modernisierungen auf den niederen Spannungsebenen zu wenig verfolgt.

Ebenfalls werden konventionelle Kraftwerke zum Schwankungsausgleich zwar als notwendig erachtet. Jedoch werden Erdgas- und Steinkohlekraftwerke gleichrangig betrachtet. Jedes neue Steinkohlekraftwerk mit der Laufzeit von 30 – 40 Jahren blockiert den Wechsel hin zu erneuerbaren Energien, weil es wohl kaum nach 15 Jahren aus wirtschaftlicher und materialeffizienter Sicht abgeschaltet werden kann. Dies ist ein tragischer Fehler: Es sollten ausschließlich neue Gaskraftwerke zum Schwankungsausgleich zugelassen werden.


Baustelle: BEZAHLBARKEIT

Der Monitoring-Bericht und die Expertenkommission stellen die Strompreise in den Zusammenhang aller steigenden Energiepreise. Damit werden politische Zuspitzungen entkräftet, die sich auf Verbraucherpreise reduzieren und fälschlicherweise Erneuerbare als Preistreiber darstellen. Die Expertenkommission stellt richtig:

„Die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit erfolgt in der politischen Diskussion gerne in Verbindung mit der Lastenverteilung, sprich: den von einzelnen Endverbrauchern bezahlten Energiepreisen. Da dies von den Kostenentwicklungen ablenkt, schlagen wir vor, gesamtwirtschaftlich aggregierte Indikatoren zur Beurteilung heranzuziehen.“

Der Anstieg der Kosten für Elektrizität verlief in der aggregierten Sichtweise für den Zeitraum bis einschließlich 2011 nicht so dramatisch wie in der Öffentlichkeit oft dargestellt. Der Anteil der Ausgaben für Elektrizität am nominalen Bruttoinlandsprodukt liegt mit 2,5 % im Jahr 2011 auf dem Niveau von 1991.“

Dennoch werden weitere zusätzliche Kosten durch den Ausbau erneuerbarer Energien und dem Netz- und Speicherausbau entstehen.


Baustelle: EUROPÄISCHER EMISSIONSHANDEL

Das EU-Emissionshandelssystem ist durch einen starken Preisverfall für Emissionsrechte gekennzeichnet, so dass Anreize für Emissionsreduktionen dadurch kaum noch gesetzt werden.“

Attestiert die Expertenkommision. Dies kann durch ein Entzug an Emissionsrechten geschehen. Dazu sind auch ehrgeizigere Ziele der Europäer bei der Reduktion ihrer CO2-Emissionen notwendig: Statt der 20 % Reduktion bis 2020 sollten 30 % anvisiert werden.

Der Monitoring Bericht und die Stellungnahme der Experten finden Sie hier:
www.bundesnetzagentur.de/../MonitoringEnergieZukunft2012