Es begann mit der Einladung von Prof. Dr. Gesine Schwan zum Energietrialog. Ich hatte mich darüber gefreut, dass an mich gedacht worden ist – danke. Am Brandenburger Tor, im fürstlichen Allianz-Stiftungsforum, ging es Anfang Mai mittels der Methode der „Trialoge“ um eine Diskussion über die Methode des „Nudgings“ für die Energiewende. Mich interessieren Kommunikationsmethoden konzeptionell. Was steckt hinter den Begriffen?
So wie ich die Trialoge verstanden habe geht es darum, dass in der Anbahnung einer Entscheidungsfindung im demokratisch legitimierten Parlament möglichst viele und unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen miteinander reden sollten, was in der Praxis offenbar nicht selbstverständlich ist. Der Göttinger Neurowissenschaftler Gerald Hüther sieht bei komplexer werdenden Problemlösungen einen ähnlichen Bedarf:
„Tragfähige Lösungen dafür können somit auch nur noch durch das Zusammenwirken von Experten aus verschiedenen Disziplinen gefunden werden. Je unterschiedlicher der Erfahrungsschatz und kulturelle Hintergrund der Mitglieder solcher Teams sind, desto nachhaltiger und tragfähiger werden dann auch die von ihnen entwickelten Lösungsansätze.“
Wofür dienen Trialoge?
Als Prediger von Dialogen war die angewandte Methode des Tages selbst spannendes Neuland für mich. Wenn wie bislang zu häufig nur Wirtschaft und Politik miteinander reden, dann würden die Gespräche und deren Ergebnisse leicht mit dem Bestreben des Machterhaltes zu „wahlorientiert“ oder mit der Gewinnorientierung zu „wirtschaftsorientiert“ verlaufen.
Tri (τρι): Mit drei gesellschaftlichen Gruppen an einem Tisch
Als dritte gesellschaftliche Gruppe könnte die Wissenschaft mit ihrem Praxistransfer agieren. Auch diese Konstellation hat ihre Tücken: Im Abhängigkeitsgefüge lenkt die Wissenschaft zu leicht opportun auf die Handlungslinien der Wirtschaft ein. Ein sehr gutes drittes oder viertes gesellschaftliches Segment ist die organisierte Zivilgesellschaft. Diese, wie die Graswurzel-Bürgerbewegung der Energiewende, können langfristige robuste Agenden vertreten und müssen weniger wie Fähnchen im Wind handeln.
Damit interpretiere ich Trialoge als eine gesunde Optimierung der reellen politischen Prozesse. Der Trialog der gemeinnützigen HUMBOLDT-VIADRINA Governance Platform gGmbH thematisierte mit 60 Gästen das „Nudiging“ für die Energiewende.
Stupser für passendes Verhalten in der Energiewende
Das englische „Nudge“ heißt „Stups“. Mit der Methode, die der Ökonom Thaler und der Jurist Sunstein beschrieben haben, soll Verhalten ohne Verbote oder Befehle beeinflusst werden. Aktuell wird in Deutschland die Möglichkeit diskutiert, dass Reportoire der Regierenden und staatlichen Institutionen um das sanfte Stupsen zu erweitern, auch wenn dies im ersten Moment lustig klingen mag.
Einen peinlich-berühmten Stups kennen Männer vom Pissoir: Durch die darin eingeklebte Fliege oder einem Ball der in das Tor gedrückt werden kann, landet deutlich mehr Urin dort wo es hingehört. Reinigungskräfte sind dankbar.
Tief verdrahtete unbewusste Verhaltensmuster nutzen
Nudges nutzen tief sitzende unbewusste Verhaltensmuster aus. Diese seit vielen Generationen hart verdrahteten „Biases“ der Menschen erschweren den Klimaschutz.
- Eigennutz
- Kurzfristdenken
- Statusorientierung
- Wahrnehmungsgrenzen
- soziale Nachahmung
Beim Anstupser bleiben bewusste Entscheidungsmöglichkeiten uneingeschränkt erhalten. Wer es sich jedoch bequem macht und dem unreflektierten Automatismus folgt, der macht es im Sinne der Erfinder richtig. In der Aufklärung wie auch beim „homo oeconomicus“ geht man vom bewusst bzw. ökonomisch rational entscheidenden Menschen aus und übersieht in dramatischer Weise die emotionale Dimension persönlicher Entscheidungen. In der Praxis des Klimaschutzes wird ein realistisches Menschenbild benötigt.
Nudging muss demokratisch legitimiert und dessen Absicht transparent sein.
Auch im Kanzleramt ist man dran
Nachdem im Vereinigten Königreich und in den Vereinigten Staaten von Amerika das Nudging bereits in der Politik angekommen ist, arbeitet auch das deutsche Kanzleramt am Thema. Dort nennt man es Initiative „Wirksam regieren“ und begründet diese mit dem Ziel der Vereinfachung – was bereits ein effektiver Stups ist.
Beispiele für Energiewende-Stupser
Im Nudging gibt es bereits viel Erfahrung mit Defaults, einer Vorabeinstellung. Die meisten halten an Voreinstellungen fest. So könnten Geräte grundsätzlich im Energiesparmodus ausgeliefert werden. In der Gemeinde Schönau erhält man in der Grundversorgung automatisch Strom aus erneuerbaren Energien.
Ein anderes Nudge kann aus dem Vergleich mit dem Nachbarn und Freunden gelingen, was mich an die Prinzipien der Gamification erinnert. Auf Stromrechnungen können beispielsweisen Angaben zum Durchschnittsverbrauch ähnlich großer Haushalte gemacht werden. Damit wurde in Schleswig-Holstein der Stromverbrauch um 13 % gesenkt.
let´s nudge
Ich kann mir Nudges gut für Kommunen und Länder vorstellen und hätte Lust selbst kreative „Nudges“ zu entwickeln, wenn sauber gearbeitet wird. Beim Brainstorming zum Trialog hatte es bereits Spaß gemacht. So kam die Idee auf, dass alle Neuankömmlinge in einer Stadt automatisch ein Ticket für öffentliche Verkehrsmittel erhalten könnten. Im Grunde ähnelt das kreative Vorgehen dem Design Thinking und der Marketing-Konzeption. Allerdings muss die Absicht stimmen. Erst in der Umsetzung eines staatlichen Nudgings wird sich zeigen, ob die vorhandenen Kritikerstimmen berechtigt sind oder es anständig gehandhabt wird.
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