Zugegeben, ich habe lang gebraucht meine gemischten Gefühle zum Klima-Abkommen einzuordnen. Zuerst waren da die berührenden Bilder, als Deutschlands Umweltministerin Barbara Hendricks in die Kamera der ZDF-Kollegen gesprochen hatte. Das Attribut „historisch“ ging um die Welt. Jubeln ist gut. Zurücklehnen darf man sich nun jedoch nicht, wenn man es mit dem Klimaschutz ernst meint. Denn ebenso schnell werden Mängel im Klima-Abkommen sichtbar.
In der letzten Woche hatte ich nur in den Drehpausen Zeit für die Lektüre der unzähligen Berichte über das Abkommen. In meiner Recherche fand ich die Artikel von Klimaretter.info besonders hilfreich. Diese waren Partner unserer Energieblogger #Blogchallenge #COP21Paris. Auch die Kommentare von Hans-Josef Fell lese ich gerne. Von ihm kommt weniger „bla, bla“ als von anderen Politikern. Gute Hinweise sind auch aus unserer Blogchallenge gekommen. Dabei hatten wir um Quellenhinweise auf Facebook gebeten.
Vorab Erwartungen klären
Häufig vermisse ich folgende Differenzierung: Das politisch machbare und das politisch nötige gleichen sich nie. Wer sich ausschließlich zum Notwendigen äussert, der gibt Orientierung und vergisst die Anerkennung all derjenigen, die aus dem realen Politzirkus etwas herausholen wollten und gewiss auch in dem seltsam begrenzten Rahmen getan haben.
Die wenigsten Kritiker haben die Schuhe derjenigen gespürt, die sich wirklich im Diplomatenzirkel engagiert haben. Natürlich wurden in Paris auch die Öl-, Kohle-, Gas- und Nuklearinteressen hart vertreten. Man muss einsehen, dass auch aus globaler Politik nur etwas politisch machbares herauskommen kann.
Mein eigener Maßstab bleibt dennoch jenes, dass im Interesse des menschlichen Überlebens notwendig erscheint. Klimaschutz ist Enkelschutz. Es macht mich wütend, wenn Geschäfte mancher Leute die Interessen meiner Enkel schädigen. Wir Menschen müssen insbesondere unser Investitionsverhalten und unsere passive Opferhaltung ändern, wenn wir etwas bewegen wollen.
Heute sehe ich das Abkommen folgendermaßen:
1. Alle Staaten einigen sich auf „etwas“
Alle haben Hochachtung davor, dass sich 194 Staaten überhaupt auf etwas einigen können. Patrick Jüttemann will es am besten gleich in die Geschichtsbücher eintragen. Was ist dieses „etwas“? Einen guten Überblick zur Klima-Vereinbarung haben Christian Mihatsch und Nick Reimer aufgeschrieben.
2. Es ist wenig verbindlich
Frau Hendricks redet die Unverbindlichkeit schön. Es sei doch nicht wünschenswert, wenn es einen Klimagerichtshof oder Sanktionen gäbe. Es würde sich dadurch regeln, dass jedes Land Rechenschaft ablegen müsse. Das halte ich für blödsinn. Eine freiwillige Selbstverpflichtung wie dieses Abkommen wird in der Wirtschaft immer dann gemacht, wenn man eine harte Regelung vermeiden will.
Immerhin hat man sich gegen die USA durchgesetzt und eine Regelung die Ausgleiche für Schäden und Verluste thematisiert. Haftung jedoch kann man daraus nicht ableiten.
3. Die Maßnahmen reichen nicht aus
Man kann sagen, dass man sich im Abkommen auf das geeinigt hat, was man sowieso schon geplant hat. Jedes Land hat nationale Klimapläne vorgelegt. Diese würden 55 Milliarden Tonnen im Jahr 2030 einsparen. Damit wird bereits das Zwei-Grad-Ziel um 11 Milliarden Tonnen überstiegen.
4. Die Ziele sind da schon besser
Ziel ist es die Erderwärmung im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter „weit unter“ zwei Grad Celsius zu beschränken. Zudem sollen Anstrengungen unternommen werden, den Temperaturanstieg bereits bei 1,5 Grad zu stoppen. Diese lose notierten 1,5 Grad sind ein kleiner Erfolg. Die ganze Angelegenheit muss konsequenter angepackt werden.
5. Die „Treibhausgas-Neutralität“ ist eine Mogelpackung
Die „Treibhausgas-Neutralität“ eröffnet große Schlupflöcher, stellt der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger zu recht fest. Man kann sich dennoch freuen, dass überhaupt schon einmal Zahlen vereinbart worden sind. In der „zweiten Hälfte des Jahrhunderts“ soll ein Gleichgewicht zwischen CO2-Bindung und Emission erreicht werden. Damit werden die Pforten für Irrwege wie die unterirdischen Kohlenspeicher der CCS-Technologie geöffnet.
Das „rumeiern“ hat etwas mit der fossilen Energiewirtschaft zu tun. Klarsicht beweist da Hans-Josef Fell:
Und was soll nur das abstruse Ziel, dass erst ab Mitte des Jahrhunderts Kohlenstoffsenken so groß sein sollen, dass sie die Emissionen neutralisieren? Dies kann nur bedeuten, dass die fossile Energiewirtschaft sogar noch über die nächste Jahrhundertwende hinaus existent sein soll. Von einem Ende der fossilen Weltwirtschaft kann also keine Rede sein, wenn man die Worte, Ziele und Maßnahmen des Pariser Vertrages zu Grunde legt.
Eine bessere Hausnummer erklärt Klimaforscher Kevin Anderson gegenüber einer schweizer Zeitung:
Wir müssen die fossilen Emissionen bis 2050 aus dem Energiesystem verbannen, der reiche Teil der Welt deutlich früher – vielleicht bis 2035. Ich glaube nicht, dass sich viele Politiker dessen bewusst sind. Das ist weit von dem entfernt, was hier diskutiert wird. Es ist eine Herausforderung, die mit einem Krieg vergleichbar ist.
6. Die Definition ausreichender Maßnahmen wurde vertagt.
Das 1,5-Grad-Ziel ist ja schon einmal ganz gut. Mit einem „Hebemechanismus“ will man die Maßnahmen nach und nach anpassen. 2018 werden dann die Klimapläne der Länder überprüft. Bei diesen Treffen soll es dann Ambitionierter werden. Ich zweifele an einer Wirksamkeit dieses „Mechanismus“. Das Ganze soll alle fünf Jahre widerholt werden.
7. Klimaschutz mit Kernkraft ist wahnsinnig
Von Thorsten kommt häufig Interessantes. Er titelt auf Stromhaltig.de „Deutsches Atomforum nennt Pariser Klimavertrag einen Meilenstein der Kernenergie“ und ertappt damit einen blinden Passagier auf unserer großen Arche Noah zur Rettung der Menschen. Der Tausch von Hund (Klimawandel) gegen Elend (Langfristige Nuklearrisiken) ist keine Lösung.
Das Ziel 100 % erneuerbare Energien wäre besser gewesen. Dazu dann noch ein erreichbares Datum vor der Jahrhundermitte und ich wäre noch zufriedener gewesen. Das passt auch Hans-Josef Fell nicht:
Die Umstellung auf 100% Erneuerbare Energien als wichtigste Klimaschutzmaßnahme wird dort nicht benannt. Der Begriff Erneuerbare Energien kommt überhaupt nur ein einziges Mal im ganzen ca. 6.000 Wörter umfassenden Klimavertrag vor.
Kumi Naidoo von Greenpeace bemerkt anders herum zu recht:
Erneuerbare Energie ist die einzige Technologie, die im Vertrag erwähnt wird. Das ist der Moment ihres Durchbruchs.
8. Mit Wald und ohne Verkehr
Gut ist, dass man versprochen hat Wälder zu schützen. Diese sind nicht nur unglaublich schöne Ökosysteme sindern auch CO2-Senken. Der Flug- und Schiffsverkehr hingegen wurde ausgeklammert, was man den Lobbyeinflüssen zuschreibt.
Fazit
Symbolisch sind wir einen Schritt voran gekommen. Praktisch muss er gegangen werden.
Wir wissen nun, was wir auch vorher für hier vor unserer eigenen Haustür wussten. Jetzt muss der Kohleausstieg kommen. Die offenbar ernsthaft am Thema arbeitende Barbara Hendricks hat dies immerhin auch begriffen. Jetzt muss sie sich nur noch innerhalb der Bundesregierung durchsetzen. Darin können wir ihr den Rücken stärken und hart die negativen Fakten der Kohleindustrie an das Tageslicht bringen.
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