Mit unserem offenen Brief an den Intendanten des WDR versuchen wir, investigativen Journalismus vor Einflussnahmen zu schützen. Berichte sind oft dann bedeutsam, wenn wie in diesem Fall ein heißes Eisen entgegen wirtschaftlicher Interessen thematisiert worden ist. Neben der Politik muss gleichermaßen die Wirtschaft durch die Presse kritisch gewürdigt werden. Ein Aufschrei der Betroffenen ist als Meinungsäußerung zweifelsfrei akzeptabel. Zu weit aber würde es gehen, wenn diese Meinung die Berichtserstattung beeinflusst. Wir wollen zu Standhaftigkeit ermutigen. Der Stand der Presse darf nicht in seiner Rolle für die Demokratie beschädigt werden. Entscheidungsträger und Journalisten müssen sich immer wieder aufs Neue auf journalistische Grundwerte zurückbesinnen und sich das Vertrauen der Leser verdienen.

Den genauen Wortlaut des offenen Briefes finden Sie auf der Internetseite der Energieblogger. Anlass war die Kritik an der investigativen Berichtserstattung zu den Protesten im Garzweiler (#EndeimGelände). RWE-Personal kritisierte den WDR in bedenklicher Weise. Auch ist die Zusammenarbeit zwischen Polizei und privatem Sicherheitsdienst auch nach einem Innenausschuss nicht vollständig aufgearbeitet. Beide Vorgänge reflektieren eine zu gewichtige Rolle von Unternehmen im demokratischen Gefüge. Das Gewaltmonopol liegt beim Staat und die Freiheit der Presse sind unantastbar. So soll es unserer Meinung nach bleiben.

Connys fragte in Ihrem Artikel zum offenen Brief, wie frei unsere Presse ist. Ich will etwas weiter ausholen. Eine der Triebfedern zur Gründung der Energieblogger war und ist ein eingeschränktes Vertrauen in eine ausgewogene Berichtserstattung zur Energiewende. Meinungsfreiheit und Pressefreiheit sind für unser Land so wichtig, dass diese einst in das Grundgesetz geschrieben worden waren.

Wie gut wird Artikel 5 des Grundgesetzes geschützt?

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

Wir können erst einmal von etwas Gutem ausgehen. Es darf keine äußere und direkte Zensur durch staatliche Akteure geben.

Udo Ulfkotte schreibt, dass Pressefreiheit nur noch simuliert werden würde.Ich hoffe und gehe davon aus, dass die in seinem Buch „Gekaufte Journalisten“ beschriebenen Thesen nicht zutreffen oder zu weit gehen. Wenn es so wäre, dann hätte die Organisation „Reporter ohne Grenzen“ darauf hinweisen müssen.

Reporter ohne Grenzen hat die Pressefreiheit in Deutschland weltweit mit Rang 17 bewertet. Das Vertrauen in die deutsche Pressefreiheit sinkt, weil die Akteursvielfalt der Zeitungen schrumpft. Medien und Energie haben also eine Gemeinsamkeit: Es ist nötig sich für Akteursvielfalt einzusetzen, damit etwas gutes dabei herauskommen kann. Als weitere Gefährung der Pressefreiheit wird das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung angesehen.

In diese Richtung gehen die vier Thesen, wie die Pressefreiheit ausgehölt wird, von Claudia von Salzen (Tagesspiegel):

  1. Pressefreiheit ist ohne Freiheit von Überwachung nicht denkbar
  2. Der Abschied vom Amtsgeheimnis fällt Deutschland besonders schwer
  3. Die Behördenauskunft darf nicht wieder zum Gnadenakt werde
  4. Journalisten nutzen ihre Freiheit zu wenig

Als Zwischenfazit können wir davon ausgehen, dass es bei aller Unvollkommenheit zwar noch ganz O.K. ist. Für Hände im Schoß reicht Platz 17 jedoch nicht mehr.

Vertrauen muss man sich immer wieder verdienen

Das Vertrauen der Deutschen in ihre Medien ist gesunken. Laut der Befragung glaubt man an „bewusste Fehlinformationen“ und „Einseitigkeit“. „Handwerkliche Fehler“ der Journalisten werden seltener angenommen. Jeder zehnte empfindet deutsche Medien nicht ausreichend unabhängig.

Medienhäuser und Selbstzensur

Anstelle einer direkten Zensur können wir von einer indirekten Selbstzensur ausgehen. Connys erklärt treffend, dass ein vorauseilender Gehorsam die Pressefreiheit und den Mut zu investigativem Journalismus beschränkt. Gehorsamkeit kann aus der Abhängigkeit von Werbebudgets entstehen. Es sind also Einschränkungen innerhalb der Medienhäuser möglich: Die innere Pressefreiheit.

Was ist die innere Pressefreiheit?

Eine Dankesrede des ausgezeichneten Journalisten Harald Schumann (Tagesspiegel) veranschaulicht innere Beschränkungen der Pressefreiheit:

„Es ist nicht so, dass wenn der Redakteur oder der Reporter der eine Sache recherchiert hat und etwas für richtig oder für falsch erkannt hat, dass das dann automatisch auch genau so im Blatt erscheint.“

Wie kann das sein? Der ehemalige Spiegelmitarbeiter erklärt es so:

Sondern es kommt immer noch sehr häufig vor, dass Kollegen die hervorragende Arbeit gemacht haben, die hervorragend schreiben und recherchieren nicht das schreiben dürfen und können was eigentlich der Wahrheit entspricht, sondern es wird zurechtgebogen, kleingemacht, zurechtgekürzt – wenn es den jeweilligen Gesinnungen und Absichten und Interessen ihrer Vorgesetzten nicht entspricht.

Die Auswahl erfolgt also nicht über den, der es recherchiert hat und damit am Besten wissen dürfte. Nein. Die Auswahl wird an einem fernen Schreibtisch und in der Redaktionskonferenz getroffen. An diesem Schreibtisch ist integeres Verhalten erforderlich. Dort muss jemand Einflussnahmen aushalten und nicht mit einem Gehorsam vorauseilen.

Die aufschlussreiche Rede hier in ganzer Länge:

Ist Schumanns Statement eine Einzelmeinung? 2013 wurden dazu 291 Journalisten befragt. Auch wenn die Autoren die Repräsentativität der Ergebnisse relativieren, finde ich es sehr aufschlussreich:

Umfrage unter Journalisten zu innerer Pressefreiheit

Die Online-Umfrage zur inneren Pressefreiheit fragt Einschätzungen der Journalisten ab. Folgende Ergebnisse finde ich wichtig:

  • Nur jeder zweite Journalist fühlt genug Freiheit (54 %).
  • Ein Viertel fühlt sich nie eingeengt.
  • Ein weiteres knappes Viertel fühlt sich vom Ressortleiter eingeengt.

Was halten die befragten Journalisten für innere Pressefreiheit?

  • 96 % emfinden innere Pressefreiheit als die Möglichkeit unabhängiger Kommentare im Rahmen der redaktionellen Linie.

Das reicht meiner Meinung nach nicht. In meinen Augen ist bereits eine „redaktionelle Linie“ eine Unfreiheit. Deswegen bloggen wir ja.

  • 77 % empfinden die freie Themenauswahl als innere Pressefreiheit.

Mit diesen 77 % teile ich die Auffassung.

  • Knapp über die Hälfte der Befragten sieht mehr Gefahren für die innere Pressefreiheit, als es vor 5 oder 10 Jahren gab.

Bei Redaktionskonferenzen werden Themen ausgewählt. Wer und wie macht das eigentlich?

  • 35 % der Entscheidungen durch die Spitze getroffen.
  • Weitere 35 % werden kollegial getroffen.

Fazit

Die Piraten aus Schleswig Holstein haben einen Gesetzesentwurf zur inneren Pressefreiheit vorgelegt. Sie schlagen ein Recht auf die Wahl einer Redaktionsvertretung vor. Wie das genau gemeint ist, ist mir noch unklar.

Wenn Sie den Eindruck haben, dass auf ein Medienhaus oder Journalisten Druck ausgeübt wird, oder Energiethemen unter den Teppich gekehrt werden sollen, dann sind Sie herzlich eingeladen sich an die Energieblogger zu wenden.

Mich bestärken diese Untersuchungen im Bloggen und darin, die Organisation der Energieblogger zu stärken. Bei uns nimmt keiner Einfluss auf das von Werbebudgets abhängige Medienhaus. Auch muss sich keiner mit einem Ressortleiter oder Chefredakteur streiten. Wenn wir unterschiedliche Meinungen haben, dann beginnt das Lernen aus der Diskussion. Das Bloggen kann nicht nur für den Leser gut sein, sondern erweitert vielmehr den Horizont der Schreibenden. Wir müssen nicht so tun als wüssten wir alles. Wir müssen von unserem Recht auf freie Meinungsäußerung gebrauch machen.