Immer wenn ich das Wort “Maßnahme” höre, fasse ich mir an den Kopf. Der Begriff kann in Klimaschutzkonzepten und energetischen Quartierskonzepten noch so üblich und verbreitet sein: “Maßnahme” wirkt auf mich unpersönlich, unkonkret und passiv. Wir dürfen nicht den Eindruck erwecken, dass es ein Papier für die Schublade wird. Wir brauchen eine einladende Sprache, wenn wir Menschen für den Klimaschutz gewinnen wollen.
Deshalb finde ich den Begriff “Maßnahme” so furchtbar
Niemand will das Objekt einer Maßnahme sein, die sich jemand Drittes am Schreibtisch für einen ausgedacht hat. Der Begriff impliziert in keiner Weise, dass Betroffene selbst beteiligt sein könnten. Für die liebe Nachhaltigkeit aber wollen wir Menschen, die ihre Zukunft selbstbestimmt in die Hand nehmen. Wir wollen weg von der Ohnmacht und hin zur Handlungsfähigkeit führen.
Die Substantivierung von “Maß nehmen” bedeutete ursprünglich “Maß” im Sinne von Regel oder Regelung. Es ist also eine Ansage innerhalb der Hierarchie von Übergeordnete an Untergeordnete, “von oben” nach “unten”. Liebe Kommunen, das wollen Sie sicherlich nicht so meinen wie dazumal Kaiser, Feudalherren und Diktatoren – die haben nur noch ihren Platz im Geschichtsunterricht und stoßen selbst dort auf Ablehnung. Bürgerinnen und Bürger in einer Demokratie sind nicht untergeordnet, sondern auf Augenhöhe; sie sind erfolgreich, wenn Klimaschutz von unten nach oben angeregt und getragen wird und aktive Menschen dies “managen”. Natürlich darf auch die Kommune eine gute Idee haben.
Gerade Handlungen, die in der Verfügungsgewalt von Bürgerinnen und Bürgern sind, beispielsweise die Investition in eine energetische Modernisierung, können nur im Einvernehmen angeregt und durchgezogen werden. Ein Klimaschutzkonzept ist weder Gesetz noch Vorschrift. Regulation für den Klimaschutz wie eine CO2-Steuer brauchen wir natürlich auch. Klimaschutz- oder ein Quartierskonzept sind vielmehr durchdachte Lösungswege, die nur mit den Betroffenen gemeinsam erarbeitet und gegangen werden können. Mit mehr Charme im aktiven Wortschatz wird dies besser gelingen.
So können Sie es besser bezeichnen
Wählen Sie die Worte passend zum Stadium des Vorhabens:
- “Projektidee”: Wenn Sie noch in der Beteiligungsphase sind und es ein einladendes Gefühl mitzureden und mitzugestalten geben soll, dann ist der offene Begriff ‘Idee’ besser.
- “Projektvorschlag”: Sobald es konkret wird, aber noch nicht angefangen wurde, ist es ein ‘Vorschlag’. Für diesen Vorschlag können dann Mitstreiter gewonnen werden.
- “Projektempfehlung”: Noch gewaltfreier ist die ‘Empfehlung’. Sie impliziert, dass etwas empfehlenswert ist. Statt “Maßnahmenkatalogen” kann es künftig Empfehlungen für den Klimaschutz geben.
- “Projekt”: Wenn Sie Mitstreiter gefunden haben, dann können Sie die Ausführung Ihres Ziels mit einer in der Wirtschaft üblichen pragmatischen Ernsthaftigkeit angehen. Projekte laufen über längere Zeiträume und sind organisiert.
- “Aktion”: Bei einmaligen Handlungen mit vielen Menschen passt dieser aktiv klingende Begriff gut und ist absolut stimmig.
- “Initiative”: Immer dann, wenn ein Projekt auf der Idee Dritter basiert und diese Idee gemeinsam mit diesen Dritten verwirklicht werden soll, kann sich der Begriff ‘Initiative’ eignen. Dabei geht es um echte Partizipation in der Zukunftsgestaltung.
- Wann immer Sie bereits wissen, was Sie vorhaben und Sie keinen Sammelbegriff benötigen, können Sie das Vorhaben direkt benennen. So klingt es konkret und schürt die Hoffnung, dass es gelingen kann.
Sprechen Sie innerhalb von Lebensrealitäten und stiften Sie Nutzen
Natürlich reicht es nicht, nur einen Begriff geschickter zu wählen. Wie die Klimaschutzmanagerin Tatiana Herda-Munoz im Podcast von energynet.de aus ihrer Erfahrung berichtet, müsse man über Themen reden, die den Menschen näher liegen als der abstrakte Klimaschutz. Tatjana ist überrascht, wie stark ihre Arbeit mit Kommunikation zu tun hat. Und bei ‘Kommunikation’ ist es nicht damit getan, dass man sein Anliegen verbreitet, sondern dass es verstanden wird. Gelungene Kommunikation bedeutet: Wir alle haben verstanden und sind motiviert, das Zielführende zu tun.
Wenn Sie Mitstreiter gewinnen wollen, müssen Sie Aspekte finden, von denen Mitstreiter selbst profitieren. Dies kann ökonomischer Natur sein, aber auch ganz andere Motive ansprechen. Hier kommen Empathie und ungefälschte Befragungen ins Spiel. Wählen Sie Ihre Sprache so, wie die Angesprochenen selbst sprechen würden. Knüpfen Sie Ihre Aspekte an Situationen und Problematiken, die in den Lebensrealitäten von jedermann stattfinden können. Die Umsetzung von Klimaschutzkonzepten und Quartierskonzepten braucht Bodenhaftung, sprich Praxisbezug. Pragmatisches Denken steckt in uns allen drin, denn hier geht es in erster Linie darum, was für uns nützlich ist. Verbinden Sie das zu Kommunizierende mit dem Nützlichen!
Ideen aus Klimaschutzkonzepten in die Tat umzusetzen, ist ganz schlicht wichtig. Schön, dass sich dafür so viele Kommunen anstrengen. Nehmen Sie Bürger und Unternehmen nicht nur mit auf Ihre Informations-Reise, sondern begeistern Sie Ihre Adressaten für diese große Chance, die Zukunft selbst in die Hand zu nehmen und konstruktiv zu gestalten.
Unser Büro hat in der Vergangenheit viele Klimaschutzkonzept erstellt und mir fiel oft die Aufgabe zu, die „Maßnahmenkataloge“ zu erstellen. Alleine deswegen hatte ich das Wort schon oft „über“. Danke für die Anregung, über bessere Begriffe nachzudenken! Der Begriff „Projekt“ ist dies für mich jedoch nicht. Ich empfinde ihn, egal ob alleinstehend oder als Idee, Vorschlag oder Empfehlung fast noch weniger glücklich als Maßnahme. Projekt suggeriert für mich im Vergleich zur Maßnahme etwas, was zeitlich und in der Einbindung begrenzt ist, weniger strategischen Rückhalt besitzt und in vielfachen Zusammenhängen ohne klare Definition und manchmal Absicht genutzt wird (Schulprojekte, Kunstprojekte, Lebensprojekte, Selbsthilfeprojekt, Theaterprojekt). Es ist irgendetwas, was man eben gemeinschaftlich oder alleine tut. Maßnahme hat dagegen in meinem Verständnis immer eine klare Ausrichtung etwas „gegen“ oder „für“ etwas zu unternehmen. Genau das, was im Klimaschutzzusammenhang und von Klimaschutzkonzepten erwartete wird.
Haben Sie mit Ihrer Maßnahme, diejenigen zu maßregeln, die das Wort „Maßnahme“ gebrauchen, nicht ein wenig das Maß verloren? Ich selbst bin weiß Gott auch oft ein Sprachpuritaner (wohl bedingt durch die Tatsache, dass meine Eltern beide journalistisch tätig waren) – aber zum Wort „Maßnahme“ habe ich ein ungestörtes Verhältnis. In Sachen Klimaschutz sind mir konkrete Projektideen, Projektvorschläge, Projektempfehlungen, Projekte, Aktionen und Initiativen (zusammengefasst eben … Maßnahmen) viel wichtiger als die Bekämpfung eines Wortes!