Der rapide Technologiewandel von der Pferdekutsche zum Verbrennungsmotor (13 Jahre), von der Schreibmaschine zum Personalcomputer, von 35-mm-Filmrollen zur Digitalkamera.. das waren „disruptive Marktentwicklungen“. Was wäre, wenn in den nächsten Jahren Elektroautos und die Photovoltaik eine solche disruptive Entwicklung nehmen? Was wäre, wenn Marktkräfte alte Strukturen aufbrechen und durch das Neue ersetzen?
Tony Seba prognostiziert eine „Clean Disruption“
Eine solche Clean Disruption prognostiziert der Amerikaner Tony Seba. Neben Beratungen, Vorträgen und dem Schreiben hält Seba auch eine Vorlesung an der renomierten Universität von Stanford. Auch als Unternehmer war er bereits erfolgreich. Auch in der in Deutschland viel beachteten ARD-Doku „Autoland abgebrannt“ wurde Seba befragt.
Energieblogger und Macher von MetropolSolar, Daniel Bannasch, macht schon seit Längerem auf die Einsichten des Amerikaners aufmerksam. Endlich habe ich mir die Zeit genommen mich damit auseinanderzusetzen.
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Inhalte des Vortrags-Videos von Tony Seba
Seba erklärt zunächst disruptive Technologiewandel. Eine Kombination von Technologien mache es möglich neue Produkte und Services anzubieten. Diese würden eine bestehende Technologie zerstören und damit eine Industrie radikal transformieren.
Seba stellte fest, dass Disruptionen selten vorhergesagt wurden. Seine Forschungsfrage lautet:
„Warum versagen smarte Leute in smarten Organisationen konsequent bei der Antizipation und Führung von Markt-Disruptionen?“
Als Ursache sagt er, dass Wissenschaft Disruption nicht richtig erklären könne. Seba hat ein neues Modell gefunden, die „Exponential Technik“. Neben anderen Technologien habe er mit seiner Methodik Anzeichen für eine disruptive Entwicklung bei folgenden Technologien festgestellt:
- Stromspeicher
- Elektroautos
- Selbstfahrende Autos
- Photovoltaik
Jede Technologie davon wachse jährlich doppelt oder dreifach. Die Technologien begünstigen sich wechselseitig und können in ihrer Kombination verstärkend wirken.
Bis zu diesem Punkt war ich erst einmal gefesselt. Der Gedanke an sich ist erst einmal stimulierend. Die dahinter stehende Hypothese konnte der knappen Zeit geschuldet nicht im Vortrag aufgeschlüsselt werden. Um dies nachzuvollziehen müsste man sich vielleicht in Stanford einschreiben oder wenigstens sein Buch lesen.
Disruption der Stromspeicher
Seba erklärt wie Li-ionen Akkus seit 15 Jahre jährlich 14% billiger geworden sei. Die Investitionen in Stromspeicher nehmen dramatisch zu. Daraus folgen weitere Preissenkungen. In Deutschland bestätigt der SolarContact-Index eine steigende Nachfrage nach Stromspeichern. Preissenkungen erfolgen durch die Bündelung der Prozesse an einem Ort (Tesla Gigafactory). Neue jährliche Produktionskapazitäten sind z.B.:
- Tesla 35 GWh/a
- LG Chem 22 GWh/a
- Nissan 4,5 GHh/a
Der nächste Aspekt seien neue Business-Modelle. Wenn Speichern billiger sei als Spitzenlaststrom, dann werden die dafür zuständigen Kraftwerke gestrandete Investitionen sein.
Disruption der Elektroautos
Ähnlich begeisternd trägt Seba die Entwicklungen der elektrisch angetriebenen Mobilität vor. Tesla sei das meistbestellte Luxusauto in den USA. Dann vergleicht Seba die Energieeffizienz der Motoren.
- Verbrenner: 17-21% Energieeffizienz
- Elektroauto: 90-95% Energieeffizienz
Umgerechnet auf 4 Jahre Tanken würde der Verbrenner in den Vereinigten Staaten 15.000 $ und der Strom 1.565 $ kosten (10 x billiger). Die Wartungskosten fallen ebenfalls geringer aus, da anstelle von 2000 beweglichen Teilen z.B. im Tesla Modell S nur nicht 18 bewegliche Teile vorhanden sind. Daher gebe es bei Tesla auch unbegrenzte Garantien.
In der Präsentation zeigt Seba nun die Kostenkurve. Ab 2020 sei der Durchschnittspreis des elektrischen Neuwagens im Kauf billiger als der Verbrenner. Daher seien fünf Jahre später alle neuen Fahrzeuge elektrisch angetrieben.
Besonders spannend hierbei ist, dass nicht nur etablierte Hersteller mehr oder weniger an Elektroautos arbeiten, sondern dass neue starke Player anfangen. So beginnen globale Unternehmen wie Foxconn mit dem Bau elektrischer Autos. Auch gebe es wiederum neue Geschäftsmodelle, wie kostenlose Tankstellen auf Parkplätzen.
Auch hier fehlen mir Hintergründe. Bezieht sich Seba bei der Energieeffizienz nur auf den Motor oder auf den gesamten Lebenszyklus der Antriebsenergie? Das sich die doppelte Speichernachfrage durch Auto- und PV-Speicher deutlich auf die Preiskurve auswirken können, dass kann ich mir vorstellen. Noch besser kann ich mir vorstellen, dass es neue Akteure gut finden, wenn alte ihre Palette nicht schnell genug umstellen können.
Sebas Ausführungen zu selbstfahrenden Autos lasse ich aus. Daran kann ich nichts Sauberes erkennen. Seine Gedanken zum Carsharing finde ich dafür interessanter, da er ökonomische Vorteile schön vorrechnet.
Disruption der Photovoltaik
Seba beschreibt, wie seit 1970 Photovoltaik 200x billiger geworden sei. Seit 1990 verdoppele sich alle zwei Jahre die installierte Kapazität. Nun zeigte er einen Graphen ohne Achsenbeschriftung und sagte, dass nur noch sieben weitere Verdoppelungen nötig seien, um alle Energie aus Photovoltaik zu gewinnen. Nun zeigte er Folien mit den Preisentwicklungen konventioneller Energien und verglich die Kostenentwicklungen.
Auch in der Photovoltaik gebe es neue Geschäftsmodelle wie Contracting, Leasing, etc. Besonders interessant fand ich nun die Ausführungen zur hochgelobten „Grid Parity“ bei der Solarstrom billiger als der Strom aus dem Netz ist. Als echten „Tipping Point“ bei dem ein rapider Wandel eintrete sieht er einen Zeitpunkt, den er „god parity“ nennt:
„Wenn Photovoltaik billiger als die Netzübertragung ist“
Danach wäre Netzstrom auch dann teurer, wenn Atomkraft, Kohlenstrom und Gasstrom gratis wäre.
Seba prognostiziert Umbrüche innerhalb der nächsten fünf Jahre und sagt, dass daher die Welt ab 2030 vollständig mit Solarstrom angetrieben wird.
In der Tat begünstigen sich die Speichertechnologie, Elektroautos und die Photovoltaik. Ich kann mir eine deutliche Preissenkung vorstellen.
Bislang konnte ich die seine „nur noch sieben Mal verdoppeln“-Aussage nicht nachvollziehen. Bei dem Versuch desgleichen hatte ich bereits Schwierigkeiten überhaupt den absoluten Energiebedarf der Erde zu ermitteln. Kann mir jemand dabei helfen?
Ich kann mir nicht vostellen, dass alle einfach so auf PV setzen. Damit es zu einer Disruption kommen kann, müssen ja erst noch gewisse Punkte überschritten werden. Es müssen also viele Anlagen gebaut werden damit „Kippunkte“ erreicht werden. Bis dahin und darüber hinaus werden politische Barrieren aufgebaut werden. Leasing, Contracting & Co nehmen allerdings in der Tat das Investitionshemmnis und fördern breitenwirksamkeit.
Fazit
Wenn ein disruptiver Wandel beginnt entfalten sich Kräfte die nicht auf gutem Willen basieren, sondern auf dem ungebändigten „Herdentrieb“ des Marktes. Da können auch etablierte Lobbyisten mit besten Kontakten nichts mehr machen und werden noch mehr versuchen. Man kann an der Absurdität der Gesetze die Angst vor der Disruption messen und muss dafür Kämpfen, dass es nicht gelingt diese freien Marktkräfte zu bändigen. Die EVU-Interessensvertreter vom BDEW warnen vor disruptiven Entwicklungen im Bereich der Digitalisierung der Energiewende.
Ist es nun eine gute Idee zu sagen „der Markt wird es schon richten“? Nein. Wir wissen das eine „Clean Disruption“ kommen könnte. Wir wissen jedoch nicht wann dies tatsächlich geschieht und ob es der Haupttreiber der Energiewende sein wird. Ich meine, dass mehrere Strategien parallel verfolgt werden müssen, um zum Ziel zu kommen.
Wir sollten also daran arbeiten, dass die Wahrscheinlichkeit einer „Clean Disruption“ steigt und können darauf hoffen, dass irgendwann Marktkräfte beim Wandel hin zu 100% erneuerbaren Energien „mithelfen“.
Wir sollten gleichermaßen an anderen Ansätzen wie einen Kohleausstieg, z.B. per Verfallsdatum für die CO2-Schleudern, arbeiten. Hier in Deutschland muss die Deckelung erneuerbarer Stromquellen entfernt werden. Die Energiewende muss definitiv beschleunigt werden. Dazu gehört auch die Energieeffizienz. Die wichtigste politische Agenda ist in meinen Augen Folgendes: Alle Subventionen für dreckige Techologie streichen und diese mit einer CO2-Steuer, einer Feinstaub-Steuer etc. belegen.
Für Betroffene die nicht untergehen und Arbeitsplätze erhalten wollen macht es Sinn sich möglichst schnell vorzubereiten. Sie sollten bei sich selbst den Technologiewandel beschleunigen.
Hallo Andreas,
mit welchen Behauptungen genau sollte ich Deiner Meinung nach vorsichtiger sein?
Viele Grüße Peter
Hallo Kilian,
hoch interessant Dein Beitrag, scheint aber außer bisher 2 Kommentatoren leider niemanden so recht zu interessieren.
Was Tony Seba vertritt, ist den bekannten Kondratjev- Zyklen sehr verwandt und somit, wie auch schon kommentiert, so ganz neu nicht, hat aber einen neuen Namen: Disruption.
Unter anderem sieht Seba gerade in der Photovoltaik (wohlgemerkt: nicht etwa in der Solarthermie oder Windenergie!) eine disruptive Technologie. Photovoltaik wäre also definitiv in der Lage, eine bestehende Technologie, hier sicherlich atomar-fossile Kraftwerkstechnologie gemeint, möglicherweise vollständig zu verdrängen. Das ist sicher richtig, wie anders sollte wohl sonst eine Energiewende funktionieren und welche Hoffnung gäbe es denn sonst, irgendwann einmal auch das globale Energieproblem lösen zu können.
Völlig falsch aber ist zu glauben, das passiere alles so im Selbstlauf und noch viel falscher ist, so zu tun, als wäre mit dieser disruptiven Photovoltaik der derzeit weltweit verfügbare technisch-technologische Stand der Photovoltaikanlagen gemeint und man müsse nur noch genügend davon bauen und der Drops ist gelutscht.
Sehr anschaulich für eine stattgefundene Disruption sind die Bilder von der 5. Ave. in New York von 1900 und 1913. Die bessere Technologie des Kraftfahrzeugs hatte disruptiv in nur 13 Jahren die schlechtere der Pferdekutsche vollständig abgelöst.
Schauen wir einmal genau auf das Bild von 1913! Sieht man etwa an irgendeiner Stelle, dass eine Pferdekutsche vor ein Kraftfahrzeug gespannt ist und dieses in Bewegung setzen muss? Mitnichten, alle Kraftfahrzeuge bewegen sich allein, benötigen zu ihrer Funktion die alte Pferdekutsche in keiner Weise, sind schlichtweg die bessere Technologie, die sich durchgesetzt und die alte vollständig verdrängt hat. Von Pferdekutsche ist weit und breit nichts mehr zu sehen.
Bei unseren Photovoltaikanlagen ist das aber genau nicht der Fall. Sie benötigen die alte „Pferdekutsche“ atomar- fossiles Kraftwerk, um überhaupt zu funktionieren. Ohne diese Kraftwerke im Netz, ohne die Technologie also, die sie disruptiv ablösen sollen, sind alle diese Photovoltaikanlagen funktionsuntüchtig. Sie sind in ihrer derzeitigen Gestalt einfach nicht die bessere Technologie und werden sich so weder disruptiv noch sonst wie durchsetzen. Das ist eine sehr bittere Wahrheit, denn mit diesen Anlagen wird eine Disruption im Allgemeinen und eine Energiewende im Besonderen ganz sicher nicht stattfinden.
Da sollten wir uns keine Illusionen machen!
Freundliche Grüße
Peter
Hallo Peter,
zu den Merkmalen von disruptiven Veränderungen gehört, dass man vorher glaubt, das funktioniert nicht oder das braucht niemand. Und dann ging es, zur Überraschung aller, doch.Daher wäre ich in dem Zusammenhang mit solchen Behauptungen vorsichtig.
Viele Grüße,
Andreas
…..das die Postkutschenindustrie sowie die 4 Besatzungsmaechte um eon und Konsorten nicht verhindern kann…man stellt in Ihrem Hoheitsgebiet einfach mal ein paar Ladedauelen in der Wildniss auf…oder ein Windrad das sich die Buerger selber nicht leisten koennen…die Zuleitung muessen Sie dann aber bezahlen! Es gab einen Forscher welcher Nikolai Kondratiev hiess…er beschrieb diese Thematik schon vor laengerem.
Die Erfahrung der letzten Monate und Jahre lehrt, dass die Politik die Betreiber der Postkutschen vor dem Zeitalter des Automobils bewahren möchte, um bei dem Foto zum Beitrag zu bleiben. Dabei haben die gleiche Rechnung, wie in diesem Beitragen, auch viele andere Wissenschaftler aufgestellt, auch von anerkannten Wirtschaftsinstitutionen, wie z.B. Bloomberg New Finance. Den Marktkräften ist das bereits bekannt, würde ich behaupten, nur die Bewahrer des Status Quo versuchen noch alles, um die Veränderungen lange hinaus zu schieben. Lange wird ihnen das aber nicht mehr gelingen, denn das Argument der Marktwirtschaft arbeitet für die Veränderung.