Es ist keine Freude, mit einem vorwurfsvollen Finger auf jemanden zu zeigen. Es häufen sich erschütternde Berichte über Energie-Lobbyismus – weshalb ich es wichtig finde, dort hinzuschauen und dies zu ändern. Dem Koalitionsvertrag, dem Klimagipfel in Warschau und auch den untergrabenen CO2-Begrenzungen für Kraftfahrzeuge hallt der Ruf nach, durch Lobbyisten geprägt worden zu sein. Daher zeige ich Ihnen heute aus meiner Medienbeobachtung einige beispielhafte Politikberichte im Zusammenhang mit klimarelevanten Entscheidungen.
Vorab will ich noch eine Differenzierung klarstellen: Es geht mir nicht um die ausführenden Menschen, sondern um die Diagnose schädlicher Gepflogenheiten und deren Therapie.
Für den Journalismus an sich ist es eine gute Nachricht, dass einzelne Journalisten sich mit den Grauzonen der Machteliten beschäftigen und auch Medien den Mut haben dies zu publizieren. Für die Gesellschaft und das Versprechen der Demokratie aber ist jeder Wahrheitsgehalt dieser Berichte ein Armutszeugnis und ein Vertrauensbruch gegenüber den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern. Vermutlich sind es verkrustete und eingeschliffene Gepflogenheiten, die durch konsequente Regeln aufgebrochen werden müssten, um den Zweck des Regierens wieder mehr am Gemeinwohl ausrichten zu können. Das allein ist einen Dokumentationsfilm wert und füllt wahrscheinlich Regale politikwissenschaftlicher Literatur.
Koalitionsverhandlungen: Extraschichten für Lobbyisten
In den Verhandlungen um den Koalitionsvertrag leisteten Lobbyisten harte Überstunden. Die Organisation Lobbycontrol beschrieb diese undurchsichtigen Vorgänge kürzlich. Schätzungen gehen von 5000 Interessensvertretern in unserer Hauptstadt an der Spree aus. Wie der Spiegel berichtet sagte ein Lobbyist „Frau Kraft macht gerade meinen Job“, womit deutlich wird, dass in den Koalitionsverhandlungen die Interessen der fossilen Energieindustrie gut vertreten wurden. Der SPD Politker Bülow notiert alle Begegnungen mit Lobbyisten und stellt einsame Forderungen nach klaren Regeln: „Ein Lobbyregister, eine Karenzzeit für Kanzler, Minister und Staatssekretäre, eine Höchstgrenze bei Parteispenden und die Offenlegung von Nebentätigkeiten auf Euro und Cent.“ Damit ist er in seiner Partei noch ein Aussenseiter und für mich ein Champion. Jener Marco Bülow hatte schon 2010 in seinem traurigen aber lesenswerten Bericht „DIE LOBBY-REPUBLIK“ aus eigener Erfahrung beschrieben, wie inbesondere die wirtschaftlich motivierten Interessensvertreter konstant und charmant Einfluss nehmen. Dass dies noch immer brandaktuell ist, zeigt auch der „Welt“ Artikel „Wie die Braunkohle-Lobby der SPD am Koalitionsvertrag mitschrieb„, in dem der langjährige Vizechef der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) Ulrich Freese betonte, dass er während der Verhandlungen von Union und SPD höchstpersönlich dafür gesorgt habe, dass ein Bekenntnis zur Kohle im Koalitionsvertrag steht. Auch der Stern berichtete von der „Schlacht um den Strom“ und schreibt die ökonomische Realität: „Es ist vor allem ein Krieg der Lobbyisten – um Marktanteile und Milliarden an Subventionen.“ Ein weiterer Effekt sind prominente Seitenwechsel, wenn durch die „Drehtür“ aus der Politik in eine Lobyorganisation gewechselt wird. Dies war der Fall bei Hildegard Müller, die als Merkels vertraute Staatsministerin direkt aus dem Kanzleramt zur Geschäftsführerin des Bundesverbandes der deutschen Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) wurde. Der Stern berichtet weiter in „Die Kraftwerkslobby am Ohr der Kanzlerin“, dass die Kanzlerin deutlich häufiger Gespräche mit der alten Energiewirtschaft führte und nur wenig Gespräche mit den Vertretern klimaschonender Technologien: „Von den insgesamt 70 Gesprächen zu Energiethemen in der zurückliegenden Legislaturperiode, die die Liste aufführt, waren in über 30 Fällen – teils mehrere – Vertreter der vier großen Energieversorger RWE, Eon, Vattenfall und EnbW unter den Teilnehmern.“ Auch die TAZ berichtete von dem tauben Ohr für Vertreter der Erneuerbaren. Dies bekam auch Matthias Willenbacher von juwi zu spüren, der ihr deshalb ein Buch schrieb, welches wir kurz vor der Wahl im Kanzleramt abgeliefert haben. Bei den Energiebloggern ist ebenfalls nach einer intensiven Recherche ein Netzwerk beschrieben worden, in dem die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) eine bedenkliche Rolle spielt.
Der Warschauer „Gipfel des Lobbyismus“ wird als „Klimazirkus“ belächelt
Die TAZ titelte „Der Gipfel des Lobbyismus“, weil der Klimagipfel in Warschau durch polnische Kohle- und Ölkonzerne und der Fluggesellschaft Emirates gesponsort wurde, was an diversen Stellen deutlich sichtbar wurde. Ein Sponsoring allein allerdings ist noch kein Hinweis auf illegale Vorgänge und Vergehen von Politikern. Wäre Klimaschutz endlich global wirksam, müssten atomar-fossile Erfolgsgeschichten in Geschichtsbücher wechseln. Der britsche Guardian berichtet davon, dass 2/3 der klimarelevanten Emissionen durch 90 Unternehmen verursacht werden. Ja, ein wirksames Klimaabkommen nach dem Verursacherprinzip würde die Geschäftsgrundlage dieser Unternehmen scharf ankratzen – diese könnten aus meiner Sicht gerne massiv in klimafreundliche Quellen investieren. Allerdings lässt sich die globale Unfähigkeit sicherich mit dem geostrategischen Geschacher um Einflussspären erklären. Ich mache mir diesen Zirkus so klar: Es will keiner in der globalen Hackordnung zuerst einen Vorteil aufgeben – so wie mehrere misstrauische Westernhelden, die sich wechselseitig mit Revolvern bedrohen. Wer würde da zuerst den Revolver senken? Der anschließend Gefangene. Genau dieses Geschacher macht auch die Importunabhängigkeit erneuerbarer Energien so interessant – weil internationalen Ressourcenkonflikten vorgebeugt werden könnte, um die sich auch der Bundesnachrichtendienst sorgt. Das Bundesamt für Geowissenschaften sorgt sich bereits um den deutschen Industriestandort – wegen Rohstoffverknappung.
Parteispenden & Seitenwechsel
Legale Parteispenden über 50.000 € müssen nach dem Parteiengesetz veröffentlicht werden, was durchaus als Teilerfolg zum Erhalt der Demokratie zählen darf. Darüber sind lediglich von E.ON mehrere ältere Spenden an CDU und SPD sichtbar. Viel aber ist hier aus dem Bereich der Automobilindustrie erfasst worden: Allein in 2013 flossen 1.420.274,95 € an CDU, FDP, CSU und SPD. Erst im Oktober wurde eine verdächtige zeitiche Nähe zwischen Parteispende und der Verhinderung strengerer CO2-Grenzwerte für PKW´s durch Merkel festgestellt. Der ehemalige Staatsminister Eckart von Klaeden (CDU) leitet nun die Abteilung Politik und Außenbeziehungen der Daimler AG, womit ein weiterer prominenter und umstrittener Seitenwechsel im Kabinett Merkel stattgefunden hatte.
Wer regiert eigentlich?
Das Hauptthema bei Lobbyismus sind nicht Korruption und fließende Gelder (was in den meisten Fällen nicht direkt nachweisbar ist), sondern die Tatsache, dass über den direkten Weg die von Unternehmen vorformulierten Klauseln für Gesetzestexte, Koalitionsverträge, Verordnungen, Richtlinien, Normen von den Ministerien teilweise und manchmal auch komplett 1:1 übernommen werden. Insbesondere im Wirtschaftsministerium soll der Draht zwischen Lobbyisten und Politik sehr direkt sein. Das ging zum Teil so weit, dass direkt Vertreter von Unternehmen in den Ministerien saßen und Gesetze mitformuliert haben, wie der WDR berichtete. Dieses „Soufflieren“ ist auch im Koalitionsvertrag sichtbar geworden, wenn beispielsweise zugelasssen wurde, dass RWE und e.on direkt Sätze in ein solches Werk schreiben können.
Transparenzlösungen für Politbetrieb in Sicht?
Ohne Lösungsvorschläge nerven Problembeschreibungen. Zur Stärkung der Demokratie finde ich die Arbeit der Organisationen Transparency und Lobbycontroll wunderbar. Ich habe mit einem befreundeten Juristen die Problematik diskutiert und fühle mich von der Komplexität erschlagen, weswegen ich mir kein Urteil zu den demokratiefördernden Ansätzen erlaube. Wenn allein die legalen Mechanismen verändert werden, kann viel geschafft werden. Über etwaige dunkle Zahlungskanäle und Schwarzkassen werden wir weiterhin meist im Dunklen tappen – wenn ich nur einmal an Helmut Kohls Schweigen in der Affäre erinnern darf, die Merkel an die Macht brachte. Lobbycontroll sagt, dass Lobbyismus unsere Demokratie aushöhlt. Folgende Gegenmittel fordern die Lobbyjäger:
- UN-Konvention gegen Bestechung ratifizieren: Reform der Regelungen der Abgeordnetenbestechung (§108 e Strafgesetzbuch) und Ratifizierung der UN-Konvention gegen Korruption durch Deutschland. In diesem Punkt scheint sich im Koalitionsvertrag Bewegung abzuzeichnen.
- Parteienfinanzierung deckeln: Behutsame Fortentwicklung der Regelungen der Parteienfinanzierung. Auch Lobbycontroll hinterfragt die Parteifinanzierung.
- Nebeneinkünfte sichtbar machen: Veröffentlichung der Nebeneinkünfte der Abgeordneten und Ausweitung der Anzeige- und Veröffentlichungspflichten sowie die Einführung wirksamer Sanktionen bei Verstößen gegen die Regeln.
- Kein direkter Wechsel zwischen Politik und Lobby: Einführung einer Karenzzeit für Minister auf Bundes- oder Landesebene und Staatssekretäre, auch wenn diese und politische Beamte auf ihre Versorgungsbezüge verzichten wollen.
- Lobbyisten-Register: Transparente Strukturen und Prozesse im Lobbyismus schaffen durch die Einführung eines Lobbyisten-Registers sowie Transparenz und Unabhängigkeit der öffentlichen Verwaltung bei Mitarbeit von Externen. Auch Lobbycontroll fordert ein Lobbyregister.
Die Vordenker politischer Transparenzbemühungen berichten von Blockaden und einem gepflegtem Desinteresse der Berliner Kaste, was auch der Lobbyreport 2013 bescheinigt.
Wie denken Sie über den Lobbyismus? Halten Sie Lobbyismus in der Energiewirtschaft für problematisch?
Wir freuen uns auf Ihre Meinung und Kommentare!
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