Frankreich ist das Land des guten Weines, des edlen Käses und noch der Kernkraft. Doch spätestens mit der Wahl eines sozialistischen Präsidenten, Francois Hollande, will die französische „SPD“ ihr Versprechen einlösen, den Atomstromanteil bis 2025 von 78 % auf 50 % zu senken. Hollandes Kabinett will den Ausbau erneuerbarer Energien stärker fördern und die Entwicklung einer französischen Erneuerbare-Energien-Industrie. In der Meeresenergie soll sich Frankreich sogar als Vorreiter etablieren. Dazu wird derzeit eine erstmals öffentliche Energiedebatte geführt, aus der in diesem Jahr ein Reformentwurf für das „Loi de programmation de la transition énergétique“ hervorgehen soll.

Ich liebe unsere Nachbarn nicht nur für diesen Anfang. Für Greenpeace Frankreich hingegen ist dieser Beginn einer französischen Energiewende jedoch noch zu atomfreundlich, weshalb die Nicht-Regierungs-Organisation sogar einmal durch ihre Abwesenheit diese Energiediskussion glanzvoll boykottierte. Grund dafür waren zwei Kernkraft-Lobbyisten in der Kommission zur Umsetzung der Energiewende, dessen Vorsitzender ein ehemaliger französische Greenpeace-Chef ist. Aus den Diskrepanzen zwischen der heutigen Situation und dem Reformziel der „Parti socialiste“ will ich mir ein Bild der französischen Wendekraft machen. Auch spannungsgeladen mutet der Rauswurf Umweltministerin Delphine Batho an, welche die Kürzungen im Haushalt 2014 als „schlechtes Budget“ bezeichnete – wohl auch weil ihrer transition énergétique eingeschnitten wurde.

Wo stehen wir in Frankreich heute? Mit 78 % Atomstrom, 13 % erneuerbarem Strom und 9 % Strom aus der Umwandlung fossiler Ressourcen ist Frankreichs Elektrizität in ihren klimaerwärmenden Emissionen vergleichsweise harmlos, dafür aber umso gefährlicher durch die Ansammlung dauerhaft strahlender Abfälle.

Im Vergleich der direkten Stromkosten stehen Frankreichs Bürger besser da als ihre deutschen Nachbarn: 2011 konnte man für 14,2 ct/kWh Strom beziehen. In Deutschland kostete der Strom im selben Jahr 25,3 ct/kWh. Liegt die Ersparnis in Frankreichs geringeren Investitionen für erneuerbare Energien? Nein. Zieht man in einem einfachen Rechenbeispiel von den gesamten 14,2 ct die 0,46 ct für erneuerbare Energien ab, kostet französischer Strom 13,75 ct/kWh. Zieht man im Vergleich von den deutschen 25,3 ct die damaligen 3,6 ct für erneuerbare Energien ab, kostet der Strom noch immer 21,7 ct. Also ist Strom in Frankreich auch ohne erneuerbare Energien 7,95 ct/kWh billiger. Was aber macht Frankreichs Strom so billig? Strompreise werden vom Staat zusammen mit der CRE (commission de regulation de l´energie) kontrolliert. Frankreichs Senat kritisierte diesen Preis als zu niedrig, da auch dort keine Kosten für den Rückbau der Kernkraftwerke und der Lagerung der radioaktiven Abfälle vorgesehen ist. Ein weiterer wichtiger Grund sind ist die geringere Besteuerung: Beispielsweise mussten in 2010 die deutschen pro MWh ca. 100 € Steuer zahlen wobei die französischen Nachbarn nur mit 32 € belastet waren.

Die Einflüsse des historisch gewachsenen Monopolismus sind in Frankreich noch stärker ausgeprägt, als der durch die vier großen Energieversorger im deutschen Elektrizitätsmarkt. Die Électricité de France (EDF) ist der zweitgrößte Stromerzeuger weltweit. Die europäische Union will einen europäischen Binnenmarkt eine Liberalisierung des Marktes mit vielen unterschiedlichen Unternehmen. Daher wurde in den europäischen Staaten damit begonnen die Monopole und Oligopole zu entflechten, um Platz für weitere Anbieter zu schaffen. Dieser Prozess ist in Frankreich noch langsamer als in Deutschland. Dennoch werden Gesetze mit dieser Zielsetzung erlassen: Beispielsweise muss in Frankreich seit 2011 die EDF ein Viertel ihres nuklear erzeugten Stroms an einheimische Mitbewerber abgeben. Dennoch haben in 2012 nur 5,9 % der privaten Stromkunden und 7,5 % der gewerblichen Kunden einen anderen Anbieter als die EDF. Die Tochtergesellschaft der EDF, Réseau de Transport d’Electricité (RTE), betreibt das Energieübertragungsnetz des Unternehmens. Für eine tiefgreifende eigentumsrechtliche Entflechtung des Monopols und damit einer dominierenden kleinteiligen dezentralen Besitzerstruktur in Bürgerhand, ist die Ausgangslage eher schwierig.

In der bürgerlichen Akzeptanz erneuerbarer Energien besteht, wie auch in Deutschland, eine gute Ausgangslage. Einer Studie aus dem Jahr 2011 zufolge befürworten 97% der Franzosen den Ausbau regenerativer Energien. Die Photovoltaik wird in französischen Augen als effizienteste und akzeptabelste Stromquelle der Zukunft gesehen. Wenn Strom zugunsten Erneuerbarer teurer werden würde, wären noch immer 60% auf Seiten der erneuerbaren Energien. Etwas widersprüchlich dazu ist das verschwenderische Verhalten der Franzosen mit ihrem Strom, was mit dem niedrigen Preis zusammenhängen könnte.

Die Förderung erneuerbarer Energien besteht aus unterschiedlichen Instrumenten. Allgemein gibt es Investitionsbeihilfen, Steuerersparnisse (crédits d´impots) und Einspeisetarife. Die Einspeisetarife sind, wie in Deutschland, „feed-in-Tarife“ die für 20 Jahre zu einem garantierten Preis Strom abnehmen. Zusätzlich gibt es eine sogenannte Degression, bei der diese Einspeisetarife regelmäßig abgesenkt werden, da ja auch die Kosten der Technologien im Einkauf sinken. Jedoch gibt es in Frankreich im Bereich der Photovoltaik beispielsweise eine Deckelungen des jährlichen Gesamtausbaus. Die energetische Sanierung wird durch Steuerersparnisse unterstützt, aber auch durch den Eco 0% Kredit, für den keine Zinsen gezahlt werden müssen. Wie wirksam die derzeitige französische Förderstruktur ist, vermag ich noch nicht zu beurteilen.

Aus dem für mich noch relativ neuen Einblick in Frankreichs Energiewende ziehe ich für mich folgendes vorläufiges Fazit. Auch wenn in meinem französischen Bekanntenkreis nur wenige von den Möglichkeiten der Energiewende wissen, gibt es enorme technische Potentiale und eine Wirtschaft die durch Erneuerbare einer Industrie neues Leben einhauchen können und sehr hohe Importkosten für Energieressourcen senken könnten. Es gibt also mehr Motive für eine französische Energiewende als den Umweltschutz. Dennoch steht Frankreich noch weit am Anfang und brauche ein stärkeres Bewusstsein für die „transition énergétique“. Mit vorhandenen guten Wachstumsraten bleibt es zu beobachten, wie stark sich Frankreichs Dynamik tatsächlich entfalten wird. Die Ausgangslage ist noch gehemmt durch das Nuklearmonopol, womit das „politisch mögliche“ eingeschränkt wird. Daher vermute ich ein stetiges Wachstum, in einer etwas langsameren Geschwindigkeit, als es in Deutschland im letzten Jahrzehnt der Fall war.

Wer sich im Detail für den französischen Markt interessiert, kann sich mithilfe einer Mitgliedschaft beim „Deutsch-französisches Büro für Erneuerbare Energien“ unter www.enr-ee.com informieren, welches vor kurzem noch „Koordinierungsstelle“ hieß.