Bis zur Bundestagswahl stelle ich Energiewende-Kampagnen auf den Prüfstand. Wir wollen doch alle gern wissen, wer dahinter steckt, wir analysieren wie so eine Kampagne gemacht ist, und dazu nehme ich die Inhalte der transportierten Botschaften unter die Lupe. Auch wenn die Kampagne nur bis Ende 2012 ihren Schwerpunkt hatte, beeinflusst die Meinungsmache der INSM die kommende Bundestagswahl, indem sie die Energiewende in negativer Weise beeinträchtigt.

Wer Nachhaltigkeit will, muss die angesprochene „Nachhaltigkeit“ auf den Prüfstand stellen und bewerten. Um diese zu finden, beziehe ich entgegen der Gepflogenheiten meines Berufsstandes der „Spin-Doktoren“ gern Position – das, was wir heute gern „benchmarking“ nennen. Also bin ich hier und jetzt ein bloggender „Benchmarketer“.

Wer steckt dahinter?

Nach Eigenangaben und Auskünften von Lobbypedia wird die „INSM – Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft GmbH“ von den Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektro-Industrie finanziert. „Die INSM verfügt 2013 nach Abzug von Steuern über einen Jahresetat von 6,94 Millionen Euro.“ Sie will u.a. erreichen, dass der Arbeitsmarkt und das Bildungswesen durch marktliberale Reformen stärker an die Bedürfnisse von Unternehmen angepasst werden. Der Klima-Lügendetektor sieht in „Rettet die Energiewende“ eher ein Votum für „Rettet die Energiekonzerne“ und beschreibt als verdecktes Arbeitsziel die Beendigung des in Gang gekommenen Strukturwandels in Richtung Dezentralität. 

Wie ist die Kampagne aufgezogen

Die Kreativ-Idee ist die „Rettung der Energiewende“, welche wirtschaftlicher werden würde und müsse, wenn man nur den INSM-Ideen folgte. Der Ansatz ist eingebettet in die Strategie der künstlichen Konstruktion einer alternativlosen Situation, in der nur eine „Strompreisbremse“ retten könne.

Die Kampagne stellt sich als Helfer der Bürger da: „Sie wollen, dass die Energiewende bezahlbar wird?“ – und schützt vor der angeblichen derzeitigen und künftigen Unbezahlbarkeit. Mit einem offenen Brief an die Kanzlerin wurde zum Mitmachen angeregt: Ziel ist es aber vor allen Dingen, die Energiewende zu stoppen. Eine Unterschriftensammlung mit einem Millionenbudget wird im Stil von Unterschriftensammlungen ehrenamtlicher Initiativen betrieben – Mitmachende fühlen sich selbstwirksam engagiert. Die Vermutung liegt nahe, dass die Kampagne unerfreulich „erfolgreich“ zur „Strompreisdiskussion“ beigetragen hat, weil sie so abgrundtief populistisch daherkommt: Mit einem schön gestalteten „Milchmädchenrechner“ kann man sich in nur zwei Schritten anschauen, wie schrecklich und nutzlos die Strompreise steigen und das Klima nicht geschützt würde.

Die Anmutung ist angenehm klar verständlich und spricht auch das bestens entwickelte Kontroll- und Sicherheitsbedürfnis der Betrachter an – visuell in einer oberen Liga.

Die INSM bedient sich nach meinem Recherchestand gedruckter Broschüren, sozialer Medien wie Facebook, Twitter, YouTube und einer Internetseite. Interessant ist, dass kritische Kommentare auf der Website nicht zensiert werden – womit man einen ungleich größeren Aufschrei vermeidet. Ebenfalls gab es eine Anzeigenkampagne in Tageszeitungen sowie Pressemitteilungen. Ein Schelm, wer dabei Böses denkt – den Artikelkauf über Anzeigen gibt es natürlich nur in Anzeigenmagazinen und Lokalblättchen, oder?

Hans-Josef Fell von den Grünen hat die Kampagne mit Gefälligkeiten im Journalismus in Verbindung gebracht. Durch stärkeren finanziellen Druck öffnen sich laut einer Studie mehr Journalisten gewissen Vorteilen durch Lobbykampagnen wie ebendieser. Und gerade ein solcher Aspekt in der Medienlandschaft ist einer der Gründe, warum die Dachmarke der Energieblogger geschaffen wurde.

Was will uns die INSM sagen?

Die INSM will das derzeitige Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) stoppen und stattdessen einen neuen marktwirtschaftlichen Ansatz einführen: Das WEE (Wettbewerbsmodell Erneuerbare Energien). Dieser Vorschlag ähnelt übrigens stark den damals zeitgleichen Vorschlägen von Röslers FDP. Die intransparente Parteifinanzierung lässt nur mutmaßen, ob nicht wirtschaftliche Zusammenhänge zwischen der Parteifinanzierung der FDP und der Medienkampagne der Metallindustrie bestehen.

Folgende Kritik wird am EEG geübt:

  • Das EEG sei der Kostentreiber des Strompreises. Zwei Studien widerlegen diese Aussage und differenzieren die Preisanstiege sachlich.
  • Es würde das Klima nicht geschützt werden, weil die zertifikatpreissenkenden Rückwirkungen auf den europaweiten Emissionshandel die Emissionen nur verlagerten. Nicht gesagt wird, dass viel zu viele Zertifikate ausgegeben worden sind, weshalb der Emissionshandel ein zahnloser Tiger ist, was trefflich beim Blog ecoquent-positions.com beschrieben wurde.
  • Das EEG sei Planwirtschaft

Als „rettende Lösung“ schlägt die INSM ein Quotensystem vor:

  • Es würden geplante Zielquoten für „grünen“ Strom zur Pflicht werden
  • Energieversorger müssten, egal mit welcher erneuerbaren Energie, einen bestimmten Anteil ihres an die Endverbraucher gelieferten Stroms aus „erneuerbar“ erzeugen oder durch eine entsprechende Menge an Zertifikaten nachweisen
  • Die technologie- und standortneutrale Förderung würde dazu führen, dass der Ausbau der Erneuerbaren Energien fortan kosteneffizient erfolgt, da es im Interesse des Investors ist, die jeweils günstigste Technologie an den jeweils bestgeeigneten Standorten einzusetzen
  • „Wissenschaftlich abgesichert“ wird die Kampagne durch eine selbst beauftragt Studie  „Marktwirtschaftliche Energiewende“ des RWI.

Welchen Nutzen und welchen Schaden würde der Ansatz mit sich bringen?

In Großbritannien wurde ein Quotensystem genutzt; es wird derzeit reformiert, da es wenig erfolgreich war. Die Ausbauraten erneuerbarer Energien sind dort geringer als bei uns. Ein Vergleich der britischen und der deutschen Erfahrungswerte ist aufschlussreich, um die Versprechen im Vorschlag des INSM zu prüfen. Windstrom war in Deutschland in der reinen Produktion in 2006 fünf ct. günstiger! Das Quotensystem bevorzugt große und kapitalstarke Marktteilnehmer, da diese leichter Preisschwankungen ausgleichen können. Kleinere Anbieter erhalten keine Planungssicherheit. Die dafür nötigen Sicherheitsreserven verteuern die Stromproduktion. Auch der Verwaltungsaufwand durch den Zertifikatehandel spielt größeren Marktteilnehmern in die Hände, womit die These des Klima-Lügendetektors bestätigt werden kann: Der durch das IMSN propagierte Ansatz nützt Energiekonzernen und schadet der Energiewende.

Die Ausbauraten in Deutschland lagen in dem vergangenen Jahrzehnt deutlich über den britischen. Durch die Technologieoffenheit werden Alternativen zu Windstrom und Wasserstrom nicht fortentwickelt, womit also ein ausgewogener erneuerbarer Mix verhindert wird. Die unsichere Nachfrage erschwert den Ausbau bzw. den Erhalt der Herstellerindustrie. Wenn die Quote gemäß der Ziele der Bundesregierung hoch ist, würden theoretisch zwar diese Ziele erreicht werden. Jedoch kann eine lobbygeführte Entscheidung die Quote herabsetzen. Ganz im Gegenteil dazu liegt beim EEG diese Macht um die Energiewende eben genau bei den vielen kleinen und mittleren Anlagenbetreibern.

Vorteile der derzeitigen Einspeisevergütung liegen in der Preisgarantie über 20 Jahre – durch diese erhalten Unternehmen Planungssicherheit. Ein weiterer Vorteil liegt in der Unterstützung dezentraler Strukturen: Je mehr Energiebürger als kleine Unternehmen auftreten, desto besser können freie Marktmechanismen die Demokratie stärken. Es gäbe schlicht keine mächtige Energielobby mehr, sondern autarke Bürger. Genau dies ist der strategische Konflikt zwischen den großen Energieversorgern, welche ihre Marktstellung schützen wollen, und Bürgerinnen und Bürgern, die gerne mehr Unabhängigkeit der Politik von Wirtschaftsinteressen erreichen wollen.

Ja, richtig, man muss sich darum kümmern, dass Energiepreise bezahlbar bleiben. Daher ist jedes Momentum an Importunabhängigkeit dafür strategisch absolut sinnvoll. Es ist ein geostrategischer Joker, wenn man sich nicht in Ressourcenkriege verstrikt und die Preisanstiege durch Verknappung von Öl und Gas umgeht.

Ich finde, man müsste das EEG optimieren und integrativ mit den Dingen verbinden, die ebenfalls für den Erfolg der Energiewende nötig sind: Eigentlich müsste man Anreize und Entlastungen für Speicher, Lastmanagement und Energieeffizienz schaffen und umweltschädliche Anreize abbauen.