Es ist schön, dass wir mit unserer kreativen Arbeit saubere Technologien stärken dürfen. Mein Anspruch ist die Nachhaltigkeit. Diese sperrige und missbrauchte Worthülse verspricht eigentlich auch, dass wir die Menschen in einer sozialen Dimension berücksichtigen. Alle wollen glücklich sein und haben ein Recht darauf. Auf das Wohlbefinden der Menschen aber hat die Werbeindustrie mit ihren Methoden und Materialschlachten signifikante Folgen.

Indirekte Umweltfolgen der Kommunikation

Es gibt die Umweltfolgen der Medien selbst. Mit Recyclingpapier, Ökofarben und Internet aus Ökostrom bestehen am Markt Alternativen. Das häufigste Kommunikationsziel ist der Verkauf. Leider wird derzeit zu viel ver- und gekauft. Durch die Masse unnötiger Produkte überschreiten wir lebensnotwendige Grenzen unseres Ökosystems. Zu viel Müll wird produziert, zuviel Ressourcen werden geplündert und zu intensiv werden Umweltmedien wie Luft, Wasser und Boden verschmutzt. Das materielle Wirtschaftswachstum ist naturwissenschaftlich gesehen eine naive Utopie. Die Lösung vermute ich jedoch in einer Kultur, die zwischen blinder Befürwortung und der ebenso blinden Ablehnung des Wachstums liegt.

Gefährdungen für das Wohlbefinden durch Werbung

In einer neuen Kultur hat Werbung eine Verantwortung gegenüber den Prosumenten (produzierende Konsumenten). So hat aber auch jeder einzelne eine Verantwortung als Konsument und kann nicht alles auf die böse Werbung schieben. Dennoch: Welche Methoden sind eigentlich fair? Einst hatte Vance Packart in dem Buch „Die geheimen Verführer“ vor der manipulative Ansprache des Unbewussten gewarnt. Der Kieler Blogger Peter Marwitz schreibt auf Konsumpf.de zu diesem Thema.  Peters neues Buch „Überdruss im Überfluss – Vom Ende der Konsumgesellschaft“ schlägt auch in diese Kerbe.

Ich bemühe mich Inhalte aufrichtig zu transportieren. Die Methodenkritik schließt mich allerdings auch ein, weil man ohne Emotion nichts erreicht. Auch in dieser Frage gibt es Zwischenwege für faire Werbe-Strategien, die über ein nüchtenes Faktenblatt hinaus gehen. Darüber hat sich Susanne Rupprecht durch ihr Buch „Ethisches Marketing: Nachhaltige Strategien für Klein- und Mikro-Unternehmen“ lesenswerte Gedanken gemacht.

Reizüberflutung ist Teil der Stressepidemie

Für das Wohlbefinden spielt nicht nur das „wie“ eine Rolle, sondern auch die Summe aller Kommunikationsversuche unserer Umwelt. Es gibt so etwas wie eine psychische Umweltverschmutzung. Die Psyche der einzelnen Rezipienten wird enorm überfrachtet. In der Werbeschlacht um Verkaufserlöse wird intensiv aufgerüstet. Die zugleich sinkende Erfolgsquote gleicht einem Eimer, mit dem Dörfer vor einem Flusshochwasser gerettet werden sollen. Für kreative Berufe ist dies eine tolle Beschäftigungsaussicht. Damit Auftraggeber etwas wirksames erhalten, wird heute die Passgenauigkeit brutal geschärft, wobei die gefährliche Datenseen zu Kapital werden. Dies hat viel mit Marketing, aber auch mit Geheimdiensten zu tun. Schauen Sie sich in Facebooks und Googles Werbeangeboten um. Der Einzelne wird sprichwörtlich „genau da abgeholt wo er steht“.

Die Informationsflut ist Teilursache der epidemisch gestiegenen Stresssymptome. Das quantitative Mehr und der Qualitätsverlust in schnellen Meldungen machen es immer schwerer durchzudringen. Um in diesem Rennen um die Aufmerksamkeit zu bestehen, muss man etwas haben, dass wirklich die Zielgruppe betrifft. Noch immer ist die Mund-zu-Mund-Empfehlung das Wirksamste, was einem passieren kann.

São Paulo nackt: Reizüberflutung per Gesetz eindämmen

Das sich São Paulo nackt von Werbung zeigt, habe ich in einer der vielen WM-Dokus gesehen (zufällig). Die kleine Recherche hat mich zu einem Bericht über den aussergewöhnlichen politischen Schritt in dem Wirtschaftsmagazin brandeins geführt. Die 20-Millionen-Stadt kommt ohne Straßenreklame aus. Warum? São Paulos damaliger Oberbürgermeister Gilberto Kassab hatte fast alle Werbeschilder verboten. Es gibt weder Leuchtreklamen, Plakatwände, Banderolen, Schilder, Firmenlogos noch Kinoreklamen. Er wollte aus der brasilianischen Stadt eine touristisch attraktive Metropole formen. Die Verordnung soll zum „ästhetischen, kulturellen und ökologischen Wohlergehen“ beitragen und reduziert dazu radikal die Außenwerbung im Stadtgebiet von São Paulo. Wer die Begrenzungen überschreitet muss zahlen.

Ist es eine lästige Regelwut, oder würde es uns allen gut tun? Würde die Wirtschaft zusammenbrechen oder würde sie sich wandeln? Ich habe lieber 5 gute Dinge als 10 schlechte. Anstelle von Sollbruchstellen müsste man vielleicht wieder Vertrauen aufbauen, um in einer Welt ohne Reizüberflutung zu überzeugen. Es wäre doch toll, wenn jeder nur einen begrenzten Teil der Werbeflächen erwerben darf. Wie in einer Genossenschaft, wäre dann die Aufmerksamkeit und die Meinung weniger käuflich. Wie wäre es, wenn sich Gutes im geregelten Markt durchsetzt? Es wäre gut.

Können Regeln die Informationsflut eindämmen, um Menschen zu schützen? Was meinen Sie?