Wir haben viel über Lobbyismus gelesen und geschrieben. Die Handschrift in Gesetztestexten erinnerte immer wieder an die Triebfedern der alten Energielobby. Mich erstaunt dabei nicht, dass Interessensvertreter ihren Job machen. Erstaunlich ist, dass derartige Einflussnahmen zugelassen werden. Wer sich für faire Bedingungen einsetzen will, der muss sich zuerst vorhandene Mechanismen klar machen. Wie hält sich denn die alte Energielobby an der Macht?

Bevor ich ein paar dieser verborgenen und damit „dunklen“ Mechanismen betrachte, will ich schon einmal die Medikation benennen: Der Politikbetrieb muss schonungslos transparent werden. Bürgerinnen und Bürger haben eine Mitdenkpflicht, wofür die entsprechenden Informationen einfach nachvollziehbar verfügbar sein müssen.

1. Akzeptanz aus passiver Unterordnung ermöglicht Vorherrschaft

Gutgläubigkeit und Verdrängung sind ein Teil eines einfachen Lebens. Jeder braucht Pausen. Zu viel Sofa und zu wenig Mitdenken unterschlägt jedoch die Eigenverantwortung. Ich glaube das dies nicht neu ist: Des Herrschers Anweisungen oder den Mainstream stellt man doch nicht in Frage! Oder? Noch immer fürchten viele Schlimmes, wenn sie eine eigene Meinung äußern. Eine Herrschaft, wie die des modernen Finanzadels, beruht seit eh und je auf der Akzeptanz in der Bevölkerung. Zustimmung kann schmelzen und einbrechen, denn nicht alle begnügen sich mit der Schwarm-Intelligenz der Lemminge. Genau aus der Sorge des Akzeptanzverlustes geschehen Diskretion, PR-Feldzüge und Meinungsmache im großen Stile.

So war es hier in Frankreich, als man 1789 den Adel entmachtete. Damit wurde Platz für die Demokratie und Menschenrechte geschaffen. Diese Rechte erhielten wir in Deutschland erst 129 Jahre später. Nach weiteren 31 Jahren wurde im Jahr 1949 die bemerkenswerte Bundesrepublik mit jenen Rechten geschaffen. Ohne diese Rechte wäre das Schreiben riskant – wie es leider in anderen Staaten der Fall ist. Diese kostbaren demokratischen Rechte müssen dennoch von Generation zu Generation auf ein Neues erstritten werden. Heute dominieren wirtschaftliche Einflüsse den Gesetzgebungsprozess.

Wer mitreden will, muss sich sein Mitspracherecht nehmen. Dafür ist Mitwissen erforderlich. Entscheiden Sie selbst, welche Entwicklungen Sie akzeptieren wollen. Ich weigere mich beispielsweise, eine hausgebackene Klimakatastrophe zu akzeptieren.

2. Der energiewirtschaftlich-politische Komplex

Unsere Gesellschaft wird von einem „energiewirtschaftlich-politischer Komplex“ dominiert, wie es Hermann Scheer beschrieben hat. Gemeint ist eine Verflechtung von politischen und wirtschaftlichen Interessen im Wirtschaftsbereich. Ein Beispiel dafür sind Kommunen, die bei Betreibern von Kohlekraftwerken wirtschaftlich beteilligt sind. Ein weiterer Beleg ist der „Drehtüreffekt„: Zwischen der energiewirtschaftlichen und der politischen Welt wechseln Einflussträger unmittelbar die Seiten. Durch diese Drehtür werden exklusives Wissen, Beziehungen und manchmal auch Verabredungen mit genommen:

Miguel Aras Cañete
jahrelang Präsident von Petrolífera Ducar
EU-Kommissar für Klimaschutz und Energie
Gerhard Schröder
Bundeskanzler
NordStream AG / russisches Erdgas
Hildegard Müller
2005 bis 2008 CDU-Staatsministerin im Bundeskanzleramt
Oktober 2008 als Hauptgeschäftsführerin zum BDEW (Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft)
Werner Müller
Wirtschaftsminister
ehemalige VEBA-Manager erlaubte als Minister seinem früheren Arbeitgeber E.on Übernahme der Ruhrgas AG trotz Einwänden des Kartellamts
Vorstand der Ruhrkohle AG
Joachim Lang
Leiter im Bereich Koordinierung der Europapolitik der Bundesregierung im Kanzleramt
2007 Cheflobbyist von E.ON
Axel Horstmann
2002-2005 Energieminister in NRW
2006-2010 Konzernbevollmächtigter der EnBW für Nordrhein-Westfalen
Wolfgang Clement
09/2005 Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit
02/2006 Aufsichtsratmitglied der RWE Power AG
Andreas Renner
01/2006 Minister für Arbeit und Soziales in Baden-Württemberg
2009 Leiter der Repräsentanzen Berlin und Brüssel der EnBW und 2006 Konzernbevollmächtigter für regenerative Energien bei EnBW
Bruno Thomauske
Bundesamt für Strahlenschutz
Vattenfall

Die Energiewirtschaft ist kein Einzelfall. Derartige Wechsel gibt es in allen größeren Wirtschaftsbereichen inklusive der erneuerbaren Energien.

Entstanden ist dies aus den inhärenten Anforderungen an atomare und fossile Energieträger, so erklärte es der verstorbene Sozialdemokrat Hermann Scheer. Als Beispiel nannte er die weiten Wege vom Abbau der Energieträger bis hin zur energetischen Nutzung in Großkraftwerken oder Fahrzeugen. Diese komplexen Bereitstellungsketten können nur mit Regierungen gelingen und waren einst wichtig für das Wirtschaftswachstum, von dem wir hier den Komfort haben. Eine regionale dezentrale Energiewelt erfordert hingegen ein über die ganze Welt verbreitetes Wissen um die neue Energiewirtschaft, mit der mehr Menschen Komfort erhalten können.

3. Exklusives „Herrschaftswissen“ verhindert die Mitsprache von Mitwissern

Es geht um ein exklusives Wissen mit dem nur ein kleiner Personenkreis agiert, weil es andere ohne dieses Herrschaftswissen nicht können. Natürlich versteht nicht jeder alles und viele sind zu bequem dafür. Jedoch kann kann weit mehr verstanden werden, als oftmals behauptet wird. Mit Wissensvorsprungen lässt sich ebenfalls das Versagen der „unsichtbaren Hand“ des „freien Marktes“ erklären, was der Ökonom Stieglitz beschrieben hat. Die Norwegerin Berit Ås zählte das Herrschaftswissen zu den fünf Hauptunterdrückungsmechanismen. Im Gegenzug stehen Bürgerbeteiligung und Partizipation durch Bürgerinnen und Bürger. Das Mitmachen ist laut dem Buch „Warum Nationen scheitern“ der Ökonomen Robinson und Acemoğlu der entscheidende Unterschied zu gelingenden Staatsformen. Herrschaftswissen widerspricht hingegen demokratischen Prozessen.

4. Beispiele für unfaire Exklusivität der alten Energiewirtschaft

  • Unsere Kanzlerin redet nicht mit allen Betroffenen. Die TAZ berichtete, dass unsere Kanzlerin zur EEG-Reform fast ausschließlich für die Chefs der großen Energiekonzerne unter vier Augen gesprochen hat. Warum werden nicht im gleichen Maße die Lobbyisten der Erneuerbaren und die der Verbraucher angehört?
  • Die Geschäftsführerin des BDEW, Hildegard Müller (siehe Tabelle), sagte bei der Jahreskonferenz 2014: „Klar ist aber auch: Wir verstehen am meisten von Energiewirtschaft“
  • Komplexere Themen bleiben in der Fachwelt, was man an fehlenden „Übersetzungen“ in allgemein verständliche Beschreibungen erkennen kann. Erläuterungen erfolgen oft nur an der Oberfläche, was natürlich auch mit der zu geringen „Übersetzer-Kapazität“ erklärt werden kann.
  • Tolle Erklärungen verstecken sich hinter Paragraphen verstecken. Wenn alle Leute Juristen wären, dann gäbe es mehr Aufschreihe.
  • Scheer beschreibt „Axiome“ in der Energiediskussion. Damit sind etablierte Annahmen gemeint, die wie unverrückbare Tatsachen hingenommen werden. Diese schlechte Gewohnheit schadet Innovationen und ist eine Bankrotterklärung an den menschlichen Geist. Ein leicht widerlegbares Beispiel dafür ist „die Erneuerbaren sind gut aber zu teuer“.

Lass uns das Allgemeinwissen auch bei komplexen Fragen fördern!

Es gibt viele Fragen, deren Antworten nur wenige kennen: Wie funktionieren Energiemärkte? Wieso sind Strompreise für Industriekunden günstig? Was ist die AusgleichsMechV? An welchen Stellen verdient wer wieviel Geld mit der Energie? Was wird in Wirklichkeit gefördert? Wie wird die EEG-Umlage mit einer 2 Mrd. € Prognoseabweichung berechnet? Wie funktionieren Stromnetze? Was muss man wissen, um Szenarien zu interpretieren? …

Fünf kleine Revolutionen zur Energiewende:

  1. Reden Sie mit und lernen Sie viel.
  2. Lassen Sie sich niemals einreden, dass Sie etwas nicht verstehen könnten.
  3. Fordern Sie stets, dass es Ihnen erklärt wird, wenn jemand behauptet, dass Sie es nicht verstehen könnten.
  4. Erklären Sie selbst interessierten Laien die Energiewende.
  5. Wenn mit Studien argumentiert wird, müssen dessen Autoren jede Methode und jede Annahme erklären können. Sonst könnte ein Exempel wie bei Guttenberg statuiert werden.

Je mehr Zugänge zu ehemals exklusivem Fachwissen wir ebnen, desto mehr Menschen können mitreden. Dieser Aufwand wird sich lohnen und erfordert mehr mitdenkende Menschen und motivierende Kommunikation. Nur damit kann eine neue Energiewelt erwachsen und eine lebenswerte Perspektive für kommende Generationen gesichert werden.