Je schlechter eine Nachricht, desto erfolgreicher ist sie in sozialen Medien. Dieses grässliche Bild zeichnet die App buzzsumo.com. Mit ihr kann man Bigdata-Analysen abrufen. Ich suchte im deutschen Sprachraum nach dem Stichwort „Energiewende“.  Die Ergebnisse für die letzten zwölf Monate schockierten mich. Schauen Sie sich die Rangfolge der zehn meist geteilten Internetlinks an:

  1. Praktizierte Energiewende pressetext.com Jan 10, 2017 (12.200 mal geteilt)
  2. Energiewende: Kosten explodieren auf auf 520 Milliarden – WELT Oct 10, 2016  (10.700 mal geteilt)
  3. Treten Sie zurück, Frau Merkel – Tichys Einblick Jul 20, 2016  (10.600 mal geteilt)
  4. Ökostrom: Im Januar produzierten die Erneuerbaren Energien so gut wie keinen Strom – WELT Feb 6, 2017  (8.300 mal geteilt)
  5. Energiepolitik: Das falsche Vorbild Deutschland May 4, 2017  (7.800 mal geteilt)
  6. Frankreich droht der Blackout – Tagesschau.de Jan 13, 2017  (5.400 mal geteilt)
  7. Schweiz Referendum: Bürger stimmen laut Hochrechnungen für Atom-Ausstieg May 21, 2017  (4.900 mal geteilt)
  8. Bundesregierung muss E.on, RWE und Vattenfall für Atomausstieg entschädigen Dec 6, 2016  (4.400 mal geteilt)
  9. Windkraftwerke bringen Tod, Missbildungen und Krankheit | Das Europäische Energiewende-Disaster May 5, 2017  (3.800 mal geteilt)
  10. Me, Myself and Media 29 – Energiewende statt Terrorbekämpfung! | KenFM.de Dez 24, 2016  (3.500 mal geteilt)

Abgesehen von Platz 1, bei dem sich mir der Gedanke an gekaufte Likes und Shares aufdrängt, geht es bei den meisten Artikeln um die Extreme. Explosion, Rücktritt Merkel, kein erneuerbarer Strom, Blackout, Tod, Missbildung, Krankheit und Disaster. Dafür bietet “DIE WELT” offenbar gerne eine Plattform.

Was lernen wir daraus?

Es geht um die Frage, welche Inhalte das Zeug dazu haben, erfolgreich verbreitet zu werden. Verbreitet werden bedeutet, dass sich Menschen (oder Bots) dazu entscheiden, einen Inhalt zu teilen oder zu liken. Dies setzt voraus, dass z.B. der Algorithmus von Facebook die Nachricht überhaupt erst einmal angezeigt hat. Diese Sichtbarkeit lässt sich mit einem satten Marketingbudget für die Plattformanbieter verbessern.

In einem Artikel zu Fake News haben wir festgestellt, dass Erfolge in sozialen Medien nicht zwangsläufig etwas mit Wahrheit zu tun haben und nur das zur Selbstbestätigung geteilt wird, was die eigene Meinung reflektiert. Windgegner teilen Wind-Horror, wir Atomgegner teilen Atom-Horror, Merkel-Gegner teilen Merkel-Horror…

Sollen wir bewusst übertreiben? Sollen wir Differenzierungen weglassen? Ich sage Ihnen ganz klar: Das ist nichts für mich! Ich schreibe lieber aufrichtig, so wie ich die Dinge wirklich sehe, anhand von Recherche für plausibel erachte und beweisen kann. Vertrauen ist und bleibt eine harte Währung. Aber gibt es denn wirklich keine anderen Erfolg versprechenden Narrativen als das Extrem?

Eine Zeit lang haben wir propagiert, dass man die Geschichten des Gelingens erzählen müsse. Schließlich sollten die Einzelnen merken, dass sie gemeinsam stark sind und nicht als nur einsame Tropfen auf heißen Steinen enden. Zu derartigen Ansätzen könnte ich Ihnen aus dem Stegreif fünf Artikel schreiben..

Moment, lasst uns noch einmal einen Schritt zurücktreten: Was ist darüber bekannt, welche Inhalte (Content) in sozialen Medien eine weite Verbreitung finden?

“Inhalte, Shares und Links: Erkenntnisse aus der Analyse von 1 Million Artikeln”

Dazu finde ich den gleichnamigen Artikel der Schweizer “seologen” über eine Studie von BuzzSumo und Moz, die gemeinsam eine Million Artikel ausgewertet haben, spannend. Darin sind mediale Mechaniken und Faktoren beschrieben, die uns helfen können, “sharable content” zu erstellen – sprich Inhalte, die gerne geteilt werden. Folgende Aussagen finde ich dabei besonders spannend:

  • Die meisten der online veröffentlichten Inhalte werden weder geteilt noch verlinkt. In der zufälligen Stichprobe aus 100.000 Postings hatten über 50% der Posts nur zwei oder weniger Interaktionen auf Facebook. 75% der Artikel hatten gar keine externen Verlinkungen hervorgebracht.
  • Weit verbreitete Top-Inhalte werden verlinkt und geteilt. Teilen ist einfacher.
  • Weit verbreitete Top-Inhalte sind auf bekannten Seiten veröffentlicht worden.
  • Meinungsinhalte sind besonders erfolgreich darin, zugleich geteilt und verlinkt zu werden.
  • Nur ganz wenige Artikel werden sehr oft geteilt oder geliked.
  • Artikel mit mehr als 1000 Wörtern sind erfolgreicher.
  • Kurzweiliges wird geteilt, aber nicht verlinkt.
  • Nummerierte Listen und Videos werden besonders viel geteilt. Listen werden auch gerne verlinkt.

Zum vollständigen Bericht geht es hier.

Unser Fazit

Wenn wir versuchen wollen, einen der ganz wenigen weit verbreiteten Artikel zu produzieren, müssen wir für eine große Nachrichtenseite schreiben. Gut recherchierte Meinungsartikel, die länger als 1.000 Zeichen werden, haben dann bessere Chancen. Um den Stein ins Rollen zu bringen, bedarf es einer Community.

Diese drei Faktoren zeigen eins: Hinter den erfolgreichen Artikeln steckt sehr viel Arbeit und das Vertrauen großer Internetseiten-Betreiber. Das Vertrauen von Seiten-Betreibern kann teilweise auch mal käuflich sein.

Ob mit der Erfüllung dieser Faktoren tatsächlich diese entsetzlichen Horrorartikel zur Energiewende verdrängt werden können, weiß ich nicht. Einen Versuch wäre es wert.

Wer wie ich für kleinere Seiten schreibt, der muss sich klar machen, dass kleinere Brötchen auch leckerer sind. Die meisten von uns müssen die Kirche im Dorf lassen. Eine Vernetzung wie die der Energieblogger mit ihrer Community ist und bleibt ein guter Baustein.