Der Wunsch nach Unabhängigkeit ist romantisch. Ich träume manchmal von dem großen Garten in dem ich alles was wir brauchen anbaue. Bei mir ist es die Sehnsucht hin zu den Wurzeln und weg von der aus den Fugen geratenen Gesellschaft. Energieautarkie ist für manche der Wunsch, sich von „den bösen Energiekonzernen“ abzunabeln. Ist das überhaupt sinnvoll? Auf die Sinnfrage hat mich ein Blogartikel von Patrick Jüttemann gebracht, der die Energie-Eigenversorgung als Grundlage für einen größeren freiheitlichen Lebensentwurf beschreibt und wie dies gehen könnte. Ein schönes Beispiel, bei dem auch der Garten Edens dabei ist, ist der energieautarke Bauernhof der Familie Löser in Österreich. Das ist doch mal richtig cool!

Wenn wir über den Sinn der Energieautarkie reden wollen, dann müssen wir uns erst einmal darauf einigen wofür es sinnvoll sein könnte. Ich beschränke diese Betrachtung hier auf Gebäudeenergie. Die Energie für Mobilität, Nahrung und alle anderen Produkte gehören ebenso dazu und sind eine gesonderte Betrachtung wert.

Ist Energiautarkie sinnvoll für den guten Ruf erneuerbarer Energien?

In einer Diskussion wurde ich einmal aus dem Dunstkreis Herman Scheers gewarnt, dass die „Autarkie“ nur von den Gegnern erneuerbarer Energien verwendet würde, um die Energiewende als Traum der Ökospinner zu diskreditieren. Ja, es schmeckt nach Utopie. In den politischen Diskussionen auf höheren Ebenen sollte der Begriff in der Tat vorsichtig verwendet werden, um nicht als unrealistischer Utopist entkräftet zu werden.

In der Praxis aber ist die „Energieautarkie“ bereits so geläufig, dass man nicht automatisch den Ruf erneuerbarer Energien belastet. So wird bei modernen Solarsystemen der „Autarkiegrad“ als Standartkennwert kommuniziert. Diese werden sich damit kaum selbst schädigen wollen. In einigen Zielgruppen halte ich es definitiv für werbewirksam. Die Unabhängigkeit von den Scheichs, Putins, Ölkonzernen, dem IS und Stromoligopolen motiviert gewaltig. Manche wollen sogar ausschließlich dies, ohne sich für Klimaschutz zu interessieren.

Ist Energiautarkie ökonomisch sinnvoll?

Landläufig „rechnet sich etwas“, wenn man Ausgaben durch Einnahmen ausgleichen kann. Je nach Vermögen kann man sich bei der Refinanzierung Zeit lassen. Bei Gebäuden funktioniert das Paretokriterium. Diese Daumenregel meint, dass man mit den ersten 20 % Investition achtzig Prozent des Effektes erzielen kann. Für die letzten 20 % aber muss man 80 % investieren. Das muss man können und wollen. Damit haben wir ein Problem in der Breitenwirksamkeit.

Ist Energiautarkie strategisch sinnvoll, um 100 % erneuerbare Energien durchzusetzen?

Wer die Energiewende bis hin zu 100 % erneuerbaren Energien durchziehen will, der muss Pläne stärken, die alles ändern können. Aus ökonomischen Gründen halte ich aus meinem bisherigen Verständnis die Energieautarkie nicht für massentauglich. Warum? Weil jeder einzelne zuerst viel Investierien muss.

Für diejenigen aber, die das Geld in die Hand nehmen können, bietet eine totale Energieautarkie das strategische „Schlupfloch“ aus den unfairen Rahmenbedingungen.

Ist Energiautarkie politisch sinnvoll um 100 % erneuerbare Energien durchzusetzen?

Ein politisch-strategischer Nutzen aber kommt aus der Bestrebung selbst. Wenn Menschen ihre energetischen Angelegenheit selbst in die Hand nehmen und darüber bestimmen wollen, dann sind diese aufgewacht. Wer dann aufrecht steht, der lässt sich nicht zu einer langsamen Energiewende light überreden. Solche Pioniere heben die Standarts an, demonstrieren was möglich ist und fordern das nötige. Damit ist es hier und da mal etwas ambitionierter und weniger weichgespült. Solche Menschen bilden Widerstandskräfte gegen konzernfreundliche Politik. Mit ihnen kann nicht alles gemacht werden. Sie sind nicht bereit jeden Irrsinn wie Fracking beispielsweise zu akzeptieren. Staaten funktionieren immer dann besser, wenn es eine lebendige, selbstbestimmte, selbstbewusste und gebildete Zivilgesellschaft gibt.

Ein interessantes Studienergebniss sollte man kennen. So wurde errechnet, dass Photovoltaik-Batteriespeicher die Allgemeinheit entlasten. Im Kern sagt die Studie, dass die „Sonnensteuer“ – sprich die Besteuerung des Eigenverbrauchs bei Anlagen > 10 kWp – blödsinnig ist. Damit wird die Solidaritäts-Scheinargumentation eingerissen, mit der die Eigenverbräuche von Solarstrom besteuert worden sind.

Ist Energiautarkie ökologisch sinnvoll?

Der ökologische Nutzen hängt davon ab wie man es macht und ob genug Leute dabei sind. Die fehlende Breitenwirksamkeit stutzt die Energieautarkie soweit zurecht, dass es nur als Teillösung gelten kann. Für das „wie“ spielen die Speichertechnik und die Wärmequelle eine große Rolle. Erneuerbaren Strom zu machen ist einfach. Der Speicher hingegen schwer. In einer Facebook-Gruppe wurde mir eine Studie zur ökologischen Verträglichkeit von Stromspeichern genannt. Li-Ion-Akkus sind einigermaßen umweltfreundlich. Die Gewinnung und Herstellung der Batterierohstoffe Kupfer und Aluminium ist nicht ganz ohne Folgen. Die Lithiumgewinnung schlägt weniger zu Buche. Wer sich Blei in den Keller stellt schneidet bei der Sinnfrage schlechter ab. Eine gute Dekade wird der Stromspeicher halten. Nach dem Austausch lassen sich die Rohstoffe recyceln.

Wer mit Holz heizen will, der muss eine Kurzumtriebsplantage betreiben. In Deutschland wird mehr Holz genutzt als nachwächst. Wer also nicht das eigens dafür angebaute Holz verwendet, der ist für Holzimporte verantwortlich. Hier muss also die Abwägung zu Effizienz und anderen Wärmequellen erfolgen. Solarstromüberschüsse, Solarthermie und erneuerbar betriebene Wärmepumpen sind sauber.

Ist Energiautarkie für das eigene Leben sinnvoll?

Diese Frage kann sich jeder selbst beantworten. Wer sich das ganze Paket finanziell und oder zeitlich leisten kann, der wird viel Freude daran haben können. Im Stillen oder auch laut kommuniziert kann die Vorbildrolle ebenfalls erfüllend sein – immer dann wenn es nicht zu einem verkrampften Dogma wird.

Wer weiß denn weitere Beispiele von Menschen, die energieautark leben? Von denen wird es deutlich bessere Antworten geben als von einem in einer Stadt ansässigen Agentur-Bürohengst.