Als ich gestern an der Tankstelle vor der Zapfsäule stand fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Auf einem blauen Aufkleber kennzeichnet Aral, dass 86 ct. pro Liter Steuern sind. Zusätzliche 50 ct. habe ich dann für meine tatsächliche Fortbewegung gezahlt. Billiger wäre besser für Bürgerinnen und Bürger.

Manchmal sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht. Die Tankstellenbetreiber entschuldigen sich für den Gesamtpreis und zeigen, dass der Großteil des Preises Steuern sind. Sie benennen die Steuersumme und nicht die Komponenten: Energiesteuer, Mehrwertsteuer, Ökosteuer und EBV. Denn die Summe ist für die Mitmenschen relevant.

Agenda Setting durch kontroverse Diskussion

Beim Strom haben wir ständig über die EEG-Umlage geschrieben und gesprochen. Das waren ausgelegte Krumen, um den Ruf erneuerbarer Energien zu schädigen. Damals war ein lancierter Wandel des politischen Klimas nötig, um das Ausbremsen der Energiewende zu ermöglichen. Dabei haben auch wir mitgeholfen, indem wir mit über die EEG-Umlage diskutiert haben. Durch alle Diskutanten gelang es das Thema auf die Tagesordnung von Presse und Politik zu heben. Medien brauchen die Kontroverse. Ohne Antagonist ist nichts berichtenswert. Das soll nicht heißen, dass man sich einer von anderen begonnenen Diskussion entziehen sollte. Es soll heißen, dass die Kontroverse Teil des Agenda-Settings ist.

In dem missglückten Rückzugsgefecht haben die Vertreter erneuerbarer Energien durch Schmerz lernen müssen. Im Nachhinein wirkt auch die Architektur der Gesetzgebung absichtlich. 2009 wurde ein “Wälzungsmechanismus” eingeführt, der erneuerbaren Strom teuer aussehen lässt. Je mehr Strom an der Börse angeboten wird, desto teurer wird die EEG-Umlage. Eine immer löchriger werdender Schweizer-Käse mit Schlupflöchern für immer mehr Industrien verteuert die Umlage zusätzlich. Um auf Nummer sicher zu gehen wurde das EEG-Umlage-Konto extrem überfüllt. Bald war die vermutlich willentliche Täuschung fertiggestellt: Erneuerbare Energien wurden als Preistreiber dargestellt. Und die Presse berichtet.

Agenda Setting: Bis in die Politik oder durch die Politik?

Wir sind einem extrem erfolgreichem Agenda-Setting auf den Leim gegangen. Auf politischer Ebene setzten die gewählten Politiker Rösler, Altmaier und Gabriel gemeinsam mit Frau Merkel die Ausbaubremse erneuerbarer Energien um. Welche Einflussnahmen und Einflussnehmer dorthin führten sollten Demokratieforscher beleuchten.

Bürger werden vorgeschoben

Wer wirklich etwas für Bürger tun will, der würde alle Abgaben und Steuern überprüfen.

So sehen aktuell die Belastungen aus:

+ 6,88 ct. EEG-Umlage

+ 4,66 ct. Umsatzsteuer

+ 2,05 ct. Stromsteuer

+ 1,66 ct. Konzessionsabgabe (Netz)

+ 0,44 ct. KWK-Umlage

+ 0,39 ct. § 19-Umlage (Netz)

+ 0,028 ct. Offshore-Umlage

+ 0,006 ct. AbLa-Umlage

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= 55 % Steuern und Abgaben

Wer wirklich etwas für Bürger tun will, der würde jeden Posten überprüfen. Es gab keine Diskussion darüber wofür die restlichen Abgaben verwendet werden bzw. ob diese angemessen sind oder übermäßige Profite einpreisen.

Für Bürgerinnen und Bürger geht es um die Summe. Energiekosten entstehen an der Tankstelle, an der Steckdose und der Heizung. Wenn es wirklich um Bürger gehen würde, dann hätte das politische Berlin alle drei Sektoren thematisieren müssen.

Um was ging es dann?

Ist Ihnen aufgefallen, dass niemand über Industriestrompreise gesprochen hat? Ist Ihnen aufgefallen, dass Energiekonzerne weniger rentabel geworden sind? Ist Ihnen aufgefallen, dass sich die Betreiberstruktur im Energiemarkt gewandelt hat und sich Marktanteile verschoben haben?

Das Ausbremsen des Ausbaus erneuerbarer Energien konserviert die gesellschaftliche Hackordnung – für eine Weile. Lang genug beispielsweise für jemanden der heute 60 ist. Zugleich zerstört es die Hackordnung für die Enkelkinder der “Golden-Ager”. Je mehr das Ökosystem aus den Fugen gerät, desto mehr wird die gesellschaftliche Struktur aufbrechen und Wirtschaft zerbrechen. Der konservative Denkfehler liegt in seiner Kurzfristigkeit. Konservative mit einem weiteren Horizont müssten sich stark für Klimaschutz einsetzen und begreifen, dass dies mittelfristig im Stabilitätsinteresse der Gesamtwirtschaft geschieht. Mehr dazu in meinem Gastbeitrag auf dem Blog eines großen Energiekonzerns (der leider noch immer Atom- und Kohle-Kraftwerke betreibt).

Wie sehen Sie das?