Unsicherheit prägt die Stimmung der Windbranche seit Winter 2013 / 2014. Noch boomt zwar in einer „Torschlusspanik“ die Projektpipeline bis Ende 2016. Für wen danach aber ab 2017 ausgeschriebene Projekte nachfließen würden, war bislang unsicher. Mit der Veröffentlichung des Eckpunktepapiers „Ausschreibungen für die Förderung von Erneuerbare-Energien-Anlagen“ des BMWi zeichnet sich nun der bereits befürchtete Trend ab: Der gesetzgeberische Wind erwischt die „Bürgerenergie“ mit aller Härte – sprich jene Initiativen und Energiegenossenschaften, die das Herzstück der Akzeptanz für die Energiewende sind. Ich habe mich in der Windenergiebranche umgehört, wie der Entwurf von größeren und  kleineren Akteuren bewertet wird. Noch wird das Gesetz beraten und ist noch nicht beschlossen.

Hier finden Sie das Eckpunktepapier „Ausschreibungen für die Förderung von Erneuerbare-Energien-Anlagen„.

Der Ausbau der Windenergie geht weiter

Die gute Nachricht zuerst. Als Klimaschützer will ich grundsätzlich, dass Windenergie auch künftig unter Berücksichtigung ausgewogener Planungsgrundsätze ausgebaut wird. Innerhalb des viel kritisierten gedeckelten Ausbaukorridors kann dies auch künftig geschehen. Darum mache ich mir spätestens seit dem Telefonat mit Dr. Kay Dahlke keine Sorgen mehr. Der Geschäftsführer des Projektentwicklers UKA Meißen hat mit dem Entwurf kein Problem. Dahlke sieht jedoch auch eindeutig den Konzentrationsprozess hin zu weniger größeren Akteuren im Markt neuer Windenergieanlagen. Größere Akteure profitieren und können auch mal Projektrechte der Ausgesiebten übernehmen. Bei den Meissenern kann man dann die fertig projektierte schlüsselfertige Anlage nach 2-3 Monaten Betrieb mit sicherem Windrisiko abkaufen – dann ist der Wert am höchsten. In der Planung kann eine Bürgerbeteilligung integriert werden. Diese macht den Park komplizierter und soll einen Anteil von 20 % nicht überschreiten. Aus Sicht der Bürgerenergie ist mir dies zu wenig. Dahlke nannte mir pragmatische Gründe dafür: Die Bürger müssen den Betrag ja auch erst einmal zusammenkriegen.

Um zu bestehen braucht man Kapital

  • Projektentwicklung bis zur Genehmigung nach BimSchG vorfinanzieren
  • Wirtschaftlichkeit berechnen, ohne bei Planungsbeginn die Erlöse zu kennen
  • Mehr „Papierkriege“ führen
  • 30 € pro kW Sicherheit hinterlegen, um überhaupt an der Ausschreibung teilnehmen zu dürfen
  • Sukzessive bei Ausschreibungen bieten
  • Zur Not noch einmal billiger anbieten

Auch das BMWi selbst räumt die Risiken für kleinere Akteure teilweise ein und will die Frage der Akteursvielfalt in der Konsultation prüfen:

„Für eine sehr begrenzte Gruppe könnte allerdings ein relevantes Risiko bei der Teilnahme an Ausschreibungen entstehen: Akteure, die nur ein Projekt verwirklichen, insbesondere, wenn es sich um ein kleines Projekt an weniger ertragreichen Standorten mit hohen Entwicklungskosten handelt. Solche Projekte sind einem erhöhten Zuschlagsrisiko ausgesetzt. Kleine Akteure können dieses Risiko – anders als größere Akteure – nicht streuen und nur begrenzt einschätzen. Dieses Risiko könnte dazu führen, dass diese Akteure von der Initiierung und Entwicklung neuer Projekte abgehalten werden und sich aus dem Markt zurückziehen.“

„Das ist das Ende der kleinen Gesellschaften
und wird zu einer Konzentration bei den ganz großen führen.“

So bewertet Jörg Klapproth, ein Bürgerwind-Akteur aus meiner Göttinger Nachbarschaft die Eckpunkte. Vielleicht wird es auch eine mittlere Schicht mit Projektierern, Stadtwerken oder klugen Kooperationen mit diesen geben. Allein aber wird die klassische Bürgerenergie so kaum eine Windenergie-Anlage errichten können.

In den Eckpunkten steht zwar das Ziel, dass man die Akteursvielfalt erhalten will, jedoch ist diese Prosa bislang nicht mehr als ein für die Reform werbender Täuschungsversuch. Es ist vielmehr der Versuch auch großen Energieversorgern einen Platz in der Windenergie am Land einzuräumen.

Die 6 MW Regel muss nachverhandelt werden

Eigentlich wäre Luft für kleinere Akteure und damit der Akteursvielfalt auch in Kombination mit Ausschreibungen möglich gewesen. Die EU räumt einen Spielraum  ein: Man könnte auch ohne Ausschreibung maximal 6 MW auf maximal 6 Anlagen verteilt nach dem alten Vergütungsmodell vergüten. Diese Bagatellgrenze wurde jedoch durch Minister Gabriel auf 1 MW begrenzt. Das bedeutet, dass es ohne Ausschreibung so gut wie keine Anlagen mehr geben wird. Nur in wenigen Fällen rechnen sich noch die kleinen 1 MW Anlagen, wenn es überhaupt noch Hersteller gibt.

Die Begründung des BMWi für die Unterlassung dessen ist:

„Diese „De-Minimis-Regelung“ ist nicht treffsicher, weil sie auch viele Akteure erfasst, die im Rahmen der Ausschreibung nicht schutzbedürftig sind. Auch große Entwickler bauen und entwickeln in erheblichem Umfang Windparks mit weniger als sechs Anlagen“

Weil auch große etwas davon haben gibt man kleinen gar nicht erst eine Chance. Eine seltsame Argumentation.

Nach den Einschätzung von Jörg Klapproth müsste die Ausschreibungsgrenze bei mindestens 12 MW liegen, um weiterhin Bürgerwindprojekte zu realisieren. Vernünftige Gedanken dazu kommen auch vom Bundesverband Windenergie. Auch Dr. Hermann Falk, Geschäftsführer des Bundesverbandes Erneuerbare Energien, kritisiert die Ausschreibungen im Interview mit den Solarthemen hart.

Herzstück der Energiewende herausgerissen

Warum setzen wir uns für die Energie in Bürgerhand ein? Darüber habe ich mit Ralf Kersting von der Bürgerwind Lemgo IG gesprochen. Dort entstand die Idee bei den Kommunalwahlen, als die vielen neuen Windenergievorrangflächen erkennbar geworden sind:

„Wenn man die Windenergie vor der Nase hat, dann soll man auch davon profitieren können. Deshalb wollen wir selbst Windräder aufstellen und uns beteiligen können. Wir setzen uns auch für die Energie in Bürgerhand ein, weil dadurch viele Bürger eine andere Sichtweise auf die Energiewende bekommen. Strom kommt nicht einfach aus der Steckdose, er muss irgendwo erzeugt werden.“

Ferner erklärt Kersting, dass Bürger durch Windenergie- und PV-Anlagen unabhängiger von Oligopolisten werden. Er hat recht. Es geht um die Entflechtung der Marktmacht und um den Missbrauch dergleichen zu vermeiden. Politische Einflussnahmen würden weniger Einseitig werden.

Fazit

Wenn es keine Wachstumsmöglichkeiten mehr für Initiativen wie die aus Lemgo gibt, dann sabotiert die große Koalition die Akzeptanz der Energiewende. Das daraus folgende Akzeptanz-Problem spüren dann auch diejenigen, die wirtschaftlich ohne Probleme in Vorleistung gehen können. An dieser gemeinsamen Schnittmenge zwischen größeren und kleineren Akteuren wird der Erfolg des Gesamtprojektes Energiewende gefährdet. Anstatt einem guten Miteinander wird die Bürgerenergie offenbar politisch gewollt ausgesiebt oder deutlich zurück gestutzt. Man ist wohl zu weit in gewisse Einflusssphären vorgedrungen.

Dennoch ist es zu früh den Kopf in den Sand zu stecken. In Folgeartikeln habe ich mir vorgenommen die Möglichkeiten für strategische Partnerschaften im Windenergiesektor zu beschreiben. Vorüberlegungen zur Lösung habe ich im Artikel „Strategien für eine schnelle Energiewende“ beschrieben. In Gesprächen will ich diese Ansätze nun konkretisieren. Also schauen Sie wieder rein und werden Sie nicht müde für die 6 MW Bagatellgrenze zu werben.