E.ON, RWE, Vattenfall und EnBW haben eines gemeinsam: Sie gelten als Verhinderer und Bremser der Energiewende. Stimmt das eigentlich? Lass uns darüber nachdenken, bevor ein leichtfertiges Stammtisch-Ja ertönt. Ich gehe davon aus, dass bei den Energieversorgern kluge Menschen arbeiten. Warum also sollten diese die Energiewende bremsen? Die Antwort ist einfach: Es gibt ökonomische und strategische Gründe, die den Wandel für Energiekonzerne so schwierig machen. Deshalb verglich RWE-Chef Peter Terium Energiekonzerne mit einem Ölfrachter, der sich bei voller Fahrt auf hoher See auch nicht mal so eben wenden lässt.

Einzelwirtschaftliche und volkswirtschaftliche Interessen sind selten das Gleiche. Leicht würden sich gute Gründe und Studien darstellen lassen, weshalb die Energiewende für die Volkswirtschaft klug ist. Das hilft nur nicht automatisch dem Energieversorger oder dem Verständnis für das Marktverhalten dieser traditionell dominierenden Akteure.

1. Damit sich Investitionen rentieren, muss man Kraftwerke so lange wie möglich
bei so vielen Volllaststunden wie möglich betreiben.

Verlohrene Einnahmen sind selten beliebt. Weniger Betriebsstunden zugunsten der Flexibilisierung reduzieren die Erlöse – wenn diese nicht durch höhere Preise oder eine Förderung wie die Kapazitätsreseve ausgeglichen werden. Noch mehr gefährden der Atom- und der Kohleausstieg diese ursprünglich eingeplanten Erträge. Wie brisant die Abschaltung konventioneller Kraftwerke aus Sicht der Betreiber ist, lässt sich allein durch die Anzahl, Leistung und die Baujahre der Kraftwerke ablesen. Dafür bitte die Kraftwerksliste der Bundesnatzagentur auswerten. Rechnen Sie mit einer Betriebsdauer zwischen 30 und 40 Jahren, um die maximale Rendite für Betreiber zu erahnen. Auf so etwas verzichtet man ungerne.

2. Wenn man konventionelle Kraftwerke entfernt, dann entfallen die Einnahmen
aus vor- und die nachgelagerten Produktionsketten.

Die Betriebe können also vom Abbau, über die Logistik bis in zur Leitung durch Übertragungsnetze ein Interesse am Erhalt der Rendite dieser einzelnen Betriebe haben. Dies hat Hermann Scheer in seinem Buch „Der energethische Imperativ“ auf Seite 60 analysiert. Wir durften die Passage auf SUSTAINMENT´s Blog veröffentlichen. Auch wenn die Übertragungs-Netzbetreiber unabhängiger als früher sind, betreiben Vattenfall und RWE noch immer den Abbau von Braunkohle. Die Stuttgarter TransnetBW GmbH gehört noch immer zu 100 % der EnBW. Em Besten entflochten ist E.ON.

3. Mit großen zentralen Einheiten kann man leichter die Marktmacht halten.

Überlegen Sie sich wie viele Windräder anstelle eines Großkraftwerkes gebaut werden müssten, um die gleiche Marktmacht zu halten. Durch die Ausschreibungen ab 2017 wird dies für große kapitalstarke Unternehmen erleichtert. Auch der Run auf die Grundstücke ist ein sehr mühseliges Geschäft. Sprechen Sie auch mit den Initiativen der Windkraftgegner – auch die Akzeptanz ist kein Selbstläufer.

4. Kommunale Beteiligungen an Energiekonzernen sind wichtig für kommunale Kassen und Arbeitsplätze.

So ist ein Viertel der RWE in kommunaler Hand. Entsprechend werden RWE´s Interessen zu den Interessen jener beteiligter Kommunen. Damit kann man auch Ursachen der jüngsten Diskussion um den Polizeieinsatz im Braunkohletagebau Garzweiler erklären. Die EnBW gehört knapp zur Hälfte dem Land Baden-Würtemberg und zum gleichen Teil einem kommunalen Zusammenschluss. Zum Glück gibt es dort keine Kohlevorkommen. Auch der geringe Abbau von Uran ist in Menzenschwand seit 1991 Geschichte.

5. Anteilseigner erwarten schnelle Rendite

Um einen Konzern umzubauen braucht man imense Investitionen und einen langen Atem. Die Geduld der Anteilseigner ist gering. Stellen Sie sich Investoren wie Blackrock aus der Wallstreet vor: Meinen Sie, dass man sich dort mit einer mittelfristigen Rendite begenügt? Damit sind wir wieder bei Punkt 1, 2 und 3. Je älter ein Kraftwerk, desto rentabler. Wenn denn nicht der Überfluss an Strom die Preise in einen Dauertiefflug versetzt hätte. Und hier sind wir bei der Überleitung und einem Vorteil der Verknappung der Elektrizität per schrittweisem Kohleausstieg.

Es geht um Einfluss

Diese Gründe zeigen eines: Es geht um Geld und Einfluss. Beides sind für die Energiekonzerne überlebenswichtige Faktoren. Eine flotte Energiewende hinzu sehr viel erneuerbarer Energie ist für Energiekonzerne wirtschaftlich schwer. So schwer, dass diese aus strategischen Gründen nur mit angezogener Handbremse mitmachen. Es muss über den Einfluss gesprochen werden. Sonst kann Klimaschutz nicht schnell genug gelingen. Schnell muss es jedoch sein, denn wir haben nur diesen einen blauen Planeten. In diesen Worten warb auch Barack Obama für Dringlichkeit der Dekarbonisierung.

Nur mit Akteursvielfalt ist ein flottes Energiewende-Tempo möglich

Die Akteursvielfalt ist deshalb so wichtig, weil sonst nur ein „mach mal Langsam“ durch die alten lobby-politischen Kanäle geflüstert wird. Ich will genauer schreiben, was ich mit der Vielfalt meine. Akteursvielfalt bedeutet weit mehr als „die Bürgerhand“:

Akteursvielfalt heißt auch, dass es in der Zukunft in einem vollständig erneuerbaren Stromsystem E.ON, RWE, Vattenfall und EnBW geben kann. Nur eine wie heute übermäßige Einflussphäre ist das Gegenteil der Akteursvielfalt. Entgegen aller Notwendigkeiten wird jedoch derzeit durch Ausschreibungen die bestehende Übermachtsstellung regulatorisch zementiert. Diese unausgewogene Einfalt ändert sich auch nicht durch die geplanten Aufspaltung von E.ON – noch würden die Aktienpakte eine Verbindung erhalten.

Akteursvielfalt braucht ebenfalls Kapital und stärkere mittelständische Player, die unabhängig von den in den Punkten genannten Hemmnissen sind. Dabei denke ich an größere Investments in eine erneuerbare Infrastruktur von Versicherungen und anderen institutionellen Investoren. Nur mit unabhängigeren Strukturen kann sich das Momentum in Richtung der Beschleunigung der Energiewende verschieben und endlich der Klimaschutz gelingen.