Ich saß gerade im Garten von Energieblogger Andreas Kühl, als ich überprüfen wollte, ob der Tonfall im Streit um das Erneuerbare-Energien-Gesetz tatsächlich ruppiger und diskreditierender geworden ist. Dabei bin ich zu meiner großen Überraschung über etwas ganz anderes gestolpert. Es war nicht Andys Gartenschlauch, sondern eine bemerkenswert klare Berichtserstattung der Presse!
Nach der Berichtserstattung zur Kostendiskussion beim EEG 2014 waren die Zweifel größer als das Vertrauen in die Presse. Damals gab es in der klassischen Presse viele schlecht recherchierte Berichte, leichtfertig abgeschriebene Texte, PR-geprägte Texte und vielleicht sogar bewusst verzerrte Artikel.
Ich meine Artikel die Google relevant findet
Zurück in den Garten: Auf Google-News tippte ich den Suchbegriff „EEG“ ein. Google listet dann Schlagzeilen auf, die Googles Suchalgorythmus für relevant erachtet und einem dann einen googlebestimmten Ausschnitt des Internets präsentiert. In diesen Schlagzeilen fand ich insbesondere die Überschriften der allgemeinen Presse klar formuliert. Die der Fachpresse lesen sich nichtssagend diplomatisch. Die allgemeine Presse aber transportierte die deutliche Kritik der „Energiewender“ an der „EEG-Deform 2016“. Schauen Sie mal:
Schlagzeilen vom 7. Juni 2016 transportieren Kritik an EEG
- Wirtschaftswoche: EEG-Reform statt Bürgerstrom: Die Windbranche läuft Sturm
- Schwäbische Zeitung: Eine Novelle für die Großkonzerne
- Deutschlandfunk: EEG-Reform – Bremse für Energiegenossenschaften
- Frankfurter Rundschau Energiewende – Massive Kritik an EEG-Novelle
- Deutschlandfunk: EEG-Reformgipfel – „Die Deckelung ist durch nichts gerechtfertigt“
- Frankfurter Rundschau Klimaschutz in Frankfurt – EEG-Reformpläne ärgern Heilig
- Deutschlandfunk: Ökostrom-Reform – Umweltverbände wenig begeistert von EEG …
- Die Zeit: Ökostromreform: Merkel gibt ihre klimapolitischen Ambitionen auf
- Finanzen.net Neue Beschlüsse zur EEG-Reform schaden kleinen Energiewende …
Inzwischen hat sich die Bundesregierung ja nun bereits fast geeinigt. Diese Berichte kommen also nachdem das Kind in den Brunnen gefallen ist. Wie sah es davor aus?
Was wurde in den entscheidenden Wochen davor geschrieben?
Als entscheidenden Zeitraum habe ich die Woche ausgewählt, nachdem am 14. April der Referentenentwurf dem Parlament vorgelegt worden war.
- Kölner Stadt-Anzeiger: Erneuerbare Energien Bundesregierung will Wachstum beim Ökostrom massiv bremsen
- Der Tagesspiegel: Mehr Firmen werden von EEG-Umlage befreit
- Deutschlandfunk: Erneuerbare-Energien-Gesetz „Ausschreibungen bringen erhebliche Probleme“
- Welt: Offshore-Windkraft-Geschäft wird neu geordnet
- MM News: Überflüssiger Ökostrom kostet Millionen
- Bayrischer Rundfunk: Geplante EEG-Novelle Nürnberger Energiewendebündnis ist „entsetzt“
- Report K: Wirtschaft Deutschland Gabriel will Windkraft-Förderung drastisch kürzen
- Die Welt: Würgt Berlin den Windkraft-Boom ab?
Auch in dem zweiten Zeitraum gab es bereits kritische Schlagzeilen. Die Aufrüttelnden Artikel sind durch oder mit Fürsprechern wie das Nürnberger Energiebündnis oder Prof. Kemfert entstanden. Diese wurden gehört. Der Schwerpunkt aber war mehr das Abbremsen der Energiewende und nicht die Umverteilung auf Konzerne.
Ursprünglich wollte ich über Diskreditierung in der EEG-Debatte schreiben
Auf die Idee hatten mich folgende Beobachtungen gebracht. Als die Aktivisten von #EndeImGelände in der Lausitz waren, gab es eine mittlerweile gelöschte Facebook-Gruppe der betroffenen Berbau-Arbeiter. Einer dieser vielleicht verzweifelten und perspektivlosen Menschen schrieb dort in arg übertriebener Weise:
„erschlagt sie wie die Ratten“.
Dann sah ich den unbedacht formulierten Tweet eines mir unbekannten CDU-Abgeordneten:
Unionsabgeordnete decken in Fraktionssitzung die Machenschaft der Windlobbyisten auf! Schlimmer als die Mafia! #EEG @cducsubt
— Tankred Schipanski (@TSchipanski) 31. Mai 2016
Bei allem Respekt. Das geht gar nicht:
- Machenschaften unterstellt Interessensvertretern wie dem Bundesverband Windenergie e.V. nur subtil, dass diese unsauber arbeiten würden.
- Mafia unterstellt Interessensvertretern wie dem Bundesverband Windenergie e.V. massive organisierte Kriminalität. Der Begriff Mafia weckt Gedanken an Mord, Drogenhandel und Menschenhandel. Das sind die Verbrechen, auf die der Gesetzgeber nicht ohne Grund die härtesten Strafen vorgesehen hat. Schlimmer als das?
Welch ein verbaler Fehltritt!
Erstaunlich, dass sich ein Volksvertreter so einen Auftritt leisten kann! Ich dachte das Verantwortliche verantwortungsvoll agieren müssen. Vielleicht war es nur ein Ausrutscher. Mich würde interessieren, wer „aufgedeckt hat“ oder deutlicher gesagt, mit der Diskreditierung angefangen hat. Mit meiner Empörung war ich nicht alleine. Auch der Sonnenflüsterer Erhard Renz staunte über die Wortwahl.
Die dritte Beobachtung richtete den Blick nach oben in die Chefetage des Energieministeriums. Sigmar Gabriel sagte in einer extra3-Doku, dass er sich nicht von erneuerbaren Lobbyisten beeinflussen lasse. Den Einfluss der alten Energielobby sprach er seltsamer Weise nicht an. Ich fragte mich, ob der Lobbypranger eine Strategie sein könnte, um Kritik an der EEG-Deform zu entkräften.
Zurück zur Presse
Noch immer bin ich ganz entzückt von meiner positiven Überraschung. In den relevanten Presseartikeln habe ich keine diskreditierenden Zitate gefunden. Auch Volker Kauder hat seine klimaschädigende Position der Presse gegenüber anständig vorgetragen. Auch wenn wir weiter einzelne Fehlberichte zerpflücken erinnert mich die Überraschung daran, dass die Presse in keinem Fall über einen Kamm geschoren werden darf. Es gibt noch immer anständige Journalisten und verantwortungsbewusste Redakteure.
In sozialen Medien und in den Kommentaren zu Presseartikeln ist die Lage leider anders. In Nettiquette üben sich viele nicht. Im Netz gibt es zu viele Verbal-Hooligans.
Auch im Internet ist die Würde unantastbar! Dieses Grundgesetz gilt auch bei unterschiedlichen Präferenzen in Energie- und Klimafragen.
Das ist eine schöne Analyse mit einem bemerkenswerten Ergebnis.
Es wäre sehr wünschenswert, wenn sich die Diskussion über die Energiewende versachlichen würde und die Klischees von „Kostenexplosion“ etc. einmal verschwinden würden, da sie fortlaufend den Blick auf die interessanten Fragen (z.B, Sektorenkopplung) verstellen. Auf der anderen Seite sind entsprechende „schlanke Botschaften“ genau die Hebel, die erfahrungsgemäß gut funktionieren, da sie leicht vermittelbar sind und auch Leser emotional ansprechen… Und angesischts der wenig intuitiven Komplexität von Mechanismen (z.B. Zusammenhang von sinkenden Großhandelsstrompreisen zu steigender EEG-Umlage) ist es nachvollziehbar, dass manche Kollegen von Nicht-Fachmedien auf entsprechende „Interpretationsangebote“ eingehen.
Vergleicht man die Kosten von PV-Freiflächenanlagen in Deutschland (zuletzt 8,0 ct/kWh in der Ausschreibung) mit der neuer Atomkraftwerke in Großbritannien (12 ct/kWh), dann sollte eigentlich jedem klar sein, dass die Kostendebatte in der Sache nicht sinnvoll ist. Gerne wird ja auch auf einen Vergleich verzichtet: „Die Energiewende kostet bis zu einer Billion Euro“, hat einmal Peter Altmaier als Umweltminister gesagt. Aber welchen Sinn es hat, Investitionen aufzuaddieren und sie ohne Nennen der Alternative in den Raum zu stellen, erschließt sich nicht im Kontext eines Austauschs von Sachargumenten.
Interessant ist doch die Frage, wie ein Versorgungssystem auf der Basis fluktuierender erneuerbarer Energien funktioniert. Aber da gibt es eine Reihe intelligenter Lösungen und auch diese Kosten sinken fortlaufend.
Zum Glück war es nicht der Gartenschlauch, den ich liegen gelassen habe.
Ich stelle auch fest, dass die Kritik an der Reform auch mittlerweile aus Wirtschaftsverbänden kommt. Das Interesse an einer Eigenstromversorgung in der Industrie und an Mieterstrom in der Immobilienwirtschaft wächst. Doch die Bundesregierung bleibt stur und beharrt auf der vollen EEG-Umlage für Eigenstromerzeugung und für lokalen Direktverbrauch.
Die Hoffnung stirbt zuletzt!
Die Erneuerbaren Energien werden „überleben“, ob „in Bürgerhand“ oder in der Hand der Großkonzerne, dass ist inzwischen die Frage.
Ich glaube auch, dass wir (Solarbranche) inzwischen „wieder Boden“ gefunden haben und hoffe, dass durch das Land-Windkraft-Bashing nicht die komplette Erneuerbare Branche in Mitleidenschaft gezogen wird.