EU-StrassburgKaum ist die neue EU-Kommission durch ihren Chef Juncker vorgestellt worden, hagelt es Kritik an den Personalien. Der Spiegel berichtet, dass Arias Cañete, der sich um Klima und Energie kümmern soll, fossilen Lobbyisten nahesteht und bis 2012 Präsident der der Ölfirma Petrolífera Ducar war. Noch immer hält dieser Aktien an dem Öl-Unternehmen – welch ein Interessenskonflikt! Die Fraktionschefin der Grünen im Europaparlament Rebecca Harms sagt, dass sie eine deutliche Schwächung der europäischen Klimapolitik sehe. Auch wird berichtet, dass Cañete ein rotes Tuch für spanische Umweltschutz-Organisationen sei. Er sei „ein in die Jahre gekommenen Macho, der dazu noch private Interessen im Ölgeschäft“ habe.

Um diese Entwicklung zu beleuchten habe ich Rainer Hinrichs-Rahlwes um ein Interview gebeten. Ich will wissen, wie es um den europäischen Klimaschutz steht. Hinrichs-Rahlwes ist Vize-Präsident der European Renewable Energies Federation (EREF) und Vorstandsmitglied des Bundesverband Erneuerbare Energie e.V. (BEE) und beobachtet die Entwicklungen in Brüssel intensiv.

SUSTAINMENT´s Blog: Wie schätzen Sie bisher den neuen EU-Kommissar für Klima und Energie Cañete ein?

WWEC 2012- Rainer Hinrichs-Rahlwes, EREC-Präsident, © BWE/Andreas Birresborn

WWEC 2012- Rainer Hinrichs-Rahlwes, EREC-Präsident, © BWE/Andreas Birresborn

Hinrichs-Rahlwes (EREF): Erstens ist es eine schlechte Idee von Juncker gewesen, dass er nun doch die beiden Ressorts Klima und Energie zusammen gelegt hat – was ein Strukturfehler ist. Dies dann noch in die Hände eines offenkundig mit der fossilen Energieindustrie verbandelten und verbündeten Politikers zu geben, lässt auf keinen Fall Gutes hoffen. Es ist zu befürchten, dass da Europas Vorreiterrolle in Klimaschutz und erneuerbaren Energien verloren geht.

SUSTAINMENT´s Blog: Wie bewerten Sie die neue europäische Kommission mit dem Präsidenten Junker?

Hinrichs-Rahlwes (EREF): Es ist noch am Anfang und die parlamentarischen Hearings kommen ja noch. Dort können durchaus noch die schlechten Kandidaten aus der Kommission herausgenommen werden – dass hat es ja auch früher schon gegeben. In dem Sinne bin ich noch nicht davon überzeugt, dass Cañete der Kommissar sein wird. Es gibt öffentliche Recherche und Vorwürfe, zusätzlich zur Verbandelung mit fossilen Energien ist da auch von Sexismus die Rede. Ich gehe davon aus, dass im Parlament noch sehr kritisch nachgefragt wird, sodass Cañete vielleicht noch ersetzt werden muss.

Ich finde den Grundgedanken, dass sich künftig die Vizepräsidenten auch um größere Bereiche, um Systeme kümmern sollen erst einmal positiv. Alenka Bratušekaus Slowenien ist da für den Schwerpunkt Energie eingesetzt. Über die Befähigung der Kandidatin für diesen Posten kann ich persönlich wenig sagen. Methodik gut, Person muss sich zeigen.

Positiv ist, dass Juncker in seinen bisherigen öffentlichen Äußerungen und auch in seinem Anschreiben an Cañete, in dem der als Kandidat für den Energiekommissar bestimmt wird, eine ganze Menge in Richtung Nachhaltigkeit und erneuerbare Energien geäußert hat. Man muss jetzt mal Juncker beim Wort nehmen und darauf drängen, dass das was er so schön programmatisch sagt auch in der personellen Konstellation und der Arbeit konkret umsetzt wird.

SUSTAINMENT´s Blog: Worauf kommt es aktuell in der europäischen Energiepolitik an?

Hinrichs-Rahlwes (EREF): Auf europäischer Ebene haben wir ja die politischen Ziele für 2020, bei denen 20 % weniger THG-Emissionen, 20 % mehr Erneuerbare und 20 % mehr Effizienz erzielt werden sollen. Da ist jetzt gerade der Prozess im Gange, den Rahmen für 2030 zu definieren. Es ist davon auszugehen, dass im europäischen Rat aus den Staats- und Regierungscheft der 28 Ländern am 24. Oktober die Rahmendaten beschlossen werden. Auch da sehen wir zurzeit – ganz unabhängig von der Kommissionsbesetzung – noch erheblichen Nachbesserungsbedarf. Die alte Kommission hatte für 2030 ein Klimaziel vorgeschlagen von – 40 % und keine national verbindlichen Ziele für Erneuerbare und Effizienz. Für Erneuerbare wurde ein Europäisches Ziel von 27 % bis 2030 vorgeschlagen. Das ist maximal business-as-usual. Die immer wieder durchsickernden Entwürfe von Ratsschlussfolgerungen zeigen, dass man die 27% vielleicht auf 30-35 % Erneuerbare anheben will. Aber das ist lange noch nicht sicher. Es gibt starken Wiederstand aus Großbritannien und Frankreich, wo man sich gegen verbindliche nationale Ziele für Erneuerbare wehrt, z.T. auch gegen Ziele für Erneuerbare überhaupt. Und Deutschland hält sich bisher vornehm zurück. Hinter der Ablehnung von ambitionierten Erneuerbaren-Zielen steht offenbar die Absicht, dass man offenbar Atomkraftwerke und Clean Coal als Klimaschutz verkaufen und damit hoffähig machen will.

Es ist sehr wichtig, dass der Rat die Tür nicht schließt für ambitionierte Ziele für Erneuerbare Energien, unterlegt mit verbindlichen nationalen Zielen. Wir werden uns mit aller Kraft dafür einsetzen, dass der Rat in diesem Sinne gute Entscheidungen trifft.

Wir danken Herrn Hinrichs-Rahlwes für das Interview und hoffen, dass in der Tat Juncker umsetzt was er sagt!